Skip to content

Was haben Schokolade, Bücher und Gummistiefel gemeinsam? – Die EUDR

Oder warum auch kleine und mittlere Unternehmen die EUDR im Blick haben sollten.

Abgesehen davon, dass diese Gegenstände einen verregneten Herbstnachmittag versüßen können, werden sie zukünftig auch Pflichten nach der Entwaldungsverordnung auslösen.

Das Europäische Parlament hat heute beschlossen, das Geltungsdatum der Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation 2023/1115 - EUDR) um ein Jahr zu verschieben, vom 30. Dezember 2024 auf den 30. Dezember 2025. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) tritt die EUDR erst zum 30.06.2026 in Kraft. Zudem schlug das Parlament mit der Einführung der Länder mit keinem Risiko sehr kurzfristig inhaltliche Änderungen zur Abschwächung der EUDR vor. Als Verordnung wird sie mit Inkrafttreten unmittelbar gelten und bedarf somit keiner nationalen Umsetzungsgesetze der EU-Mitgliedstaaten.

Auf den ersten Blick mag man denken, dass diese Verordnung nur forstwirtschaftliche Unternehmen betreffe. Doch tatsächlich ist ihr Anwendungsbereich deutlich weiter: Sie erstreckt sich auf eine Vielzahl an Produkten und Unternehmen, die nur entfernt etwas mit Wäldern zu tun haben. So umfasst die Verordnung nicht nur Holz und Holzprodukte, sondern z.B. auch Produkte, die aus Kautschuk oder Soja hergestellt werden. Die Herstellung oder der Vertrieb von Gummihandschuhen und gebrauchten Autoreifen unterfällt dem Anwendungsbereich der Verordnung ebenso wie Food-Startups, die pflanzliche Alternativen aus Sojabohnen oder -mehl herstellen. Es lohnt sich daher, den Anwendungsbereich und die Pflichten näher zu betrachten, um die Betroffenheit des eigenen Unternehmens zu prüfen und rechtzeitig die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, zumal Verstöße gegen die Verordnung erhebliche Sanktionen nach sich ziehen können.

I. Genereller Anwendungsbereich

Die EUDR gilt für Personen und Unternehmen die „relevante Erzeugnisse“ in Verkehr bringen, bereitstellen oder aus der EU ausführen, die „relevante Rohstoffe“ enthalten oder mit ihrer Herstellung in Verbindung stehen. Damit hat die EUDR anders als bspw. die Lieferkettenrichtlinie (EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive 2024/1760 - CSDDD) einen produktbezogenen Anwendungsbereich, der zunächst unabhängig von der Größe des Unternehmens gilt. Zur Bestimmung des Anwendungsbereichs empfiehlt sich eine Zwei-Stufen-Prüfung: (1) Handelt das Unternehmen mit einem „relevanten Erzeugnis“ und (2) welche adressatenbestimmende Handlung wird vorgenommen?

1. Relevante Rohstoffe und Erzeugnisse

Die abschließend genannten „relevanten Rohstoffe“ sind Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. „Relevante Erzeugnisse“ sind solche die in Anhang I der EUDR explizit genannt werden. Die EUDR rekurriert dabei auf sog. HS-Codes. Diese entsprechen der international geltenden HS-Nomenklatur, sind den Unternehmen regelmäßig bekannt und ermöglichen so eine einheitliche Benennung der Produkte über Regelungsregime hinweg.
Die EUDR findet nur auf solche Erzeugnisse Anwendung, die explizit im Anhang I der EUDR genannt sind. Wird das Erzeugnis nicht explizit in Anhang I der EUDR genannt, so unterliegt es selbst dann nicht dem Anwendungsbereich der EUDR, wenn es einen „relevanten Rohstoff“ enthält. So wird beispielsweise Seife, die Palmöl enthält, nicht von der EUDR erfasst.

Teilweise nennt die EUDR HS-Codes, die auch Erzeugnisse klassifizieren, die keine relevanten Rohstoffe beinhalten. Solche sind mit dem Zusatz „ex“ gekennzeichnet. Diese Erzeugnisse eröffnen den Anwendungsbereich nur, wenn sie einen relevanten Rohstoff enthalten.

Das bedeutet, dass nicht jedes Produkt, das „relevante Rohstoffe“ dem Anwendungsbereich der EUDR unterliegt. Es ist jedoch notwendige Voraussetzung, dass das Erzeugnis einen relevanten Rohstoff enthält, um unter die EUDR zu fallen. Zu beachten ist jedoch, dass die Liste nachträgliche Änderungen erfahren kann.

2. Inverkehrbringen und Bereitstellen als adressatenbestimmende Handlung

Die EUDR differenziert hinsichtlich der Adressaten nach Marktteilnehmern und Händlern. Marktteilnehmer i.S.d. Art. 4 EUDR sind natürliche oder juristische Personen, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse in Verkehr bringen oder ausführen. Inverkehrbringen meint dabei die erstmalige Bereitstellung eines relevanten Erzeugnisses auf dem Unionsmarkt. Händler i.S.d. Art. 5 EUDR ist hingegen jede Person in der Lieferkette mit Ausnahme des Marktteilnehmers, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Markt bereitstellt. Unter Bereitstellung auf dem Markt wird jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines relevanten Erzeugnisses zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit verstanden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Adressatengruppen ist also das erstmalige Zurverfügungstellen des Erzeugnisses auf dem EU-Markt.

II. Konsequenzen

1. Verbot nach Art. 3 EUDR
Sofern der Anwendungsbereich eröffnet ist, unterliegen die Adressaten dem Verbot nach Art. 3 EUDR. Danach dürfen „relevante Rohstoffe“ und „relevante Erzeugnisse“ nur in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder aus der EU ausgeführt werden, wenn (1) sie entwaldungsfrei sind, (2) gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und (3) eine Sorgfaltserklärung für sie vorliegt. Der zentrale Begriff der Entwaldungsfreiheit bedeutet, dass Produkte und Rohstoffe nicht mit bestimmten Formen der schädlichen Einwirkung auf Wälder in Verbindung stehen. Dies schließt Aktivitäten ein, die zur Zerstörung oder Schädigung von Wäldern führen. Der Verordnungsgeber hat diesen Begriff bewusst weit gefasst, um eine umfassende Regulierung zu ermöglichen (vgl. Erwäg. 35).

2. Sorgfaltspflichten
Um die Umsetzung des Verbots sicherzustellen, treffen die Markteilnehmer und Händler sog. Sorgfaltspflichten gem. Art. 8 EUDR. Hiernach müssen die Adressaten hinreichend Informationen sammeln, um auf deren Grundlage eine Risikoanalyse durchzuführen und basierend auf deren Ergebnis darüber zu entscheiden, ob Risikominimierungsmaßnahmen zu ergreifen sind.

a) Sammeln von Informationen 
Zu den zusammenzutragenden Informationen gehören etwa die Geolokalisierungsdaten aller Grundstücke, auf denen die relevanten Rohstoffe, die das relevante Erzeugnis enthält oder unter deren Verwendung es hergestellt wurde, erzeugt wurden, sowie der Zeitpunkt oder Zeitraum der Erzeugung. Des Weiteren sind die Namen, die Anschrift und die Mailadressen aller direkten Zulieferer, zu sammeln (vgl.: Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. e EUDR). Die Nachweise, die diese Informationen belegen, sind für einen Zeitraum von 5 Jahren ab dem Zeitpunkt der Bereitstellung aufzubewahren.

b) Risikobewertung
Die Adressaten sind sodann verpflichtet auf Grundlage der gesammelten Informationen eine Risikobewertung durchzuführen. Etwaige Risiken, dass die relevanten Erzeugnisse nicht konform sind – also nicht entwaldungsfrei und nicht nach den einschlägigen Vorschriften des Erzeugerlands erzeugt wurden, sollen hierdurch identifiziert werden. Dabei soll insbesondere die Präsenz von Wäldern im Erzeugerland, die Verbreitung der Entwaldung oder Waldschädigung im Erzeugerland sowie die Komplexität der betreffenden Lieferkette und die Verarbeitungsstufe der relevanten Erzeugnisse einbezogen werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 EUDR).

c) Risikominimierungsmaßnahmen 
Sofern die Bewertung ergibt, dass ein Risko bzw. ein nicht nur vernachlässigbares Risiko besteht, dass die relevanten Erzeugnisse nichtkonform sind, müssen sog. Risikominimierungsmaßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt z.B. das Anfordern zusätzlicher Informationen oder die Durchführung unabhängiger Erhebungen oder Prüfungen. Für Nicht-KMUs nennt Art. 11 Abs. 2 lit. a EUDR als Risikominimierungsmaßnahme etwa die Installation eines Risikomanagements sowie die Benennung eines Compliance-Beauftragten.

d) Vereinfachte Sorgfaltspflichten
Nach Art. 13 EUDR gelten vereinfachte Sorgfaltspflichten, wenn die relevanten Erzeugnisse in Ländern erzeugt wurden, die nach dem vierstufigen Länderbewertungssystem i.S.d. Art. 29 EUDR mit einem „geringen Risiko“ bewertet wurden. In diesem Fall kann jedoch die zuständige Behörde verlangen, dass die Adressaten Unterlagen zur Verfügung stellen, die verdeutlichen, dass ein vernachlässigbares Risiko zur Umgehung der EUDR und keine Vermischung mit Erzeugnissen unbekannten Ursprungs besteht. Letztlich muss dadurch auch eine der Risikoanalyse gem. Art. 10 EUDR vergleichbare Prüfung erfolgen. Sollte der Rat der Europäischen Union die kurzfristigen Änderungsanträge annehmen, gelten die vereinfachten Sorgfaltspflichten des heute kurzfristig abgeänderten Art. 5 EUDR auch für Erzeugnisse die aus Ländern mit keinem Risiko stammen.

3. Sorgfaltserklärung
Gemäß Art 4. Abs. 1 bzw. Art. 5 Abs. 1 EUDR dürfen relevante Erzeugnisse erst in Verkehr gebracht bzw. bereitgestellt werden, wenn eine Sorgfaltserklärung übermittelt wurde. Die Übermittlung erfolgt über ein eigens von der EU-Kommission eingerichtetes IT-Informationssystem (Anleitung zur Anmeldung). In der Erklärung ist zu bestätigen, dass die zuvor erläuterten Sorgfaltspflichten erfüllt wurden. Anhang II der EUDR sieht obligatorische Inhalte für die Sorgfaltserklärung vor. Die Sorgfaltserklärungen können unter Eingabe der Referenznummer von nachgelagerten Händlern eingesehen werden. Damit besteht zwar die Möglichkeit die Informationen der vorgelagerten Lieferkette zu übernehmen. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Informationen trifft jedoch alle Unternehmen in der Lieferkette. Zudem trifft die Adressaten gem. Art. 4 Abs. 5 EUDR eine Aktualisierungspflicht, wenn sie neue Informationen erhalten, dass die Gefahr besteht, dass ein relevantes Erzeugnis, das sie bereits in Verkehr gebracht haben, nicht der EUDR entspricht. Gemäß Art. 6 EUDR besteht die Möglichkeit Bevollmächtigte mit der Übermittlung zu betrauen.

4. Sonderregelungen für KMU
Für KMU treten die Regeln nicht nur später in Kraft, sondern sie sind auch inhaltlich weniger umfassend. Für die Definition verweist die EUDR auf Art. 3 der Richtlinie 2013/34/EU. Danach sind mittlere Unternehmen solche, die zwei der drei nachfolgenden Schwellenwerte nicht überschreiten: eine Bilanzsumme von 20 Mio. EUR, einen Nettoerlös von 40 Mio. EUR oder im Geschäftsjahr eine durchschnittliche Beschäftigung von 250 Personen.

Für KMU-Händler ist die zentrale Norm Art. 5 Abs. 2 EUDR. Demnach dürfen sie relevante Erzeugnisse erst auf dem Markt bereitstellen, wenn sie über bestimmte Informationen zu diesen Erzeugnissen verfügen. Namentlich benötigen sie den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke, die Postanschrift, die E-Mail-Adresse und, falls verfügbar, eine Internetadresse derjenigen Marktteilnehmer oder Händler, die ihnen die relevanten Erzeugnisse geliefert haben. Zudem benötigen sie die Referenznummer der Sorgfaltserklärungen, die diesen relevanten Erzeugnissen zugeordnet sind. Diese Informationen haben die KMU fünf Jahre aufzubewahren.

Auch KMU-Marktteilnehmer erfahren eine Privilegierung. So treffen die Sorgfaltspflichten der Informationssammlung, der Risikobewertung und der Risikominderung diese nicht, sofern für das Produkt bereits eine Sorgfaltserklärung vorliegt (vgl. Art. 4 Abs. 8 Satz 1 EUDR), hier genügt es auf Verlangen des BMEL, diesem die Referenznummer der Sorgfaltserklärung zu übermitteln. Liegt für das Produkt noch keine Sorgfaltserklärung vor, muss der KMU-Marktteilnehmer die Sorgfaltspflichten nach Art. 8 EUDR erfüllen (vgl. Art. 4 Abs. 8 Satz 2, Abs. 1 EUDR).

5. Sanktionen
Bei einem Verstoß gegen die EUDR kann das Unternehmen mit Höchstbeträgen von mindestens 4 % seines jährlichen Gesamtumsatzes in der EU als Geldbuße belegt werden. Neben der Einziehung der Produkte und der mit dem Produkt erzielten Einnahmen kann die zuständige Behörde ein vorübergehendes Verbot des Inverkehrbringens, der Bereitstellung oder der Ausfuhr relevanter Rohstoffe und relevanter Erzeugnisse erteilen und die Unternehmen bis zu 12 Monaten von der öffentlichen Auftragsvergabe ausschließen. Zuständig ist insoweit das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Darüber hinaus wird die EU-Kommission eine Liste veröffentlichen in der Unternehmen, die gegen die EUDR verstoßen haben, namentlich erwähnt werden. Die sich hieraus ergebenden möglichen Reputationsschäden sollten nicht unterschätzt werden.

III. Zusammenfassung und Handlungsbedarf

Die EUDR stellt den nächsten Schritt der EU dar, durch weitere ESG-Pflichten, den Handel mit Produkten umwelt- und klimafreundlicher zu machen. Konkret soll die EUDR den Handel mit Produkten, die zur Entwaldung beitragen, regulieren und letztlich verhindern. Die Verschiebung des Geltungsdatums gibt den Unternehmen nun etwas mehr Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Die Erfüllung der neuen Compliance-Anforderungen wird zusätzlichen organisatorischen und personellen Aufwand erfordern. Dies gilt auch und in besonderem Maße für KMU, die mangels Betroffenheit vom LKSG bislang möglicherweise ihre Lieferketten noch nicht umfassend analysiert und dokumentiert haben. Daher sollte der gewährte Aufschub genutzt werden, um den Anhang I der EUDR gewissenhaft zu studieren, um die eigene Betroffenheit zu überprüfen und die Umsetzung etwaiger Pflichten schnellstmöglich anzustoßen.

Wir beraten Sie gerne bei etwaigen Fragen zum Anwendungsbereich oder der Implementierung des neuen Regimes.


Download YPOG Briefing: "Was haben Schokolade, Bücher und Gummistiefel gemeinsam? – Die EUDR"

 

Über uns

YPOG ist eine Spezialkanzlei für Steuer- und Wirtschaftsrecht, die in den Kernbereichen Funds, Tax, Banking + Finance und Transactions tätig ist. Das Team von YPOG berät eine breite Vielfalt an Mandant:innen. Dazu gehören aufstrebende Technologieunternehmen und familiengeführte mittelständische Unternehmen genauso wie Konzerne und Private Equity-/Venture Capital Fonds. YPOG ist eine der führenden Adressen für Venture Capital, Private Equity und Fondsstrukturierung in Deutschland. Die Kanzlei und ihre Partner:innen werden national und international von JUVE, Best Lawyers, Legal 500, Focus, Chambers and Partners sowie Leaders League geführt. Bei YPOG sind heute mehr als 150 erfahrene Rechtsanwält:innen,
Steuerberater:innen, Tax Specialists sowie eine Notarin in vier Büros in Berlin, Hamburg, Köln und München tätig.