Was lange währt, wird endlich gut? - Entwurf eines BMF-Schreibens zur Aktivierung sog. Fondsetablierungskosten gemäß § 6e EStG
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 15. November 2024 den Entwurf eines Anwendungsschreibens zu § 6e EStG veröffentlicht.
1. Hintergrund
Mit Einführung des § 6e EStG wurde Ende 2019 die Aktivierung sog. Fondsetablierungskosten erstmalig gesetzlich geregelt.
Im Kern geht es darum, Aufwendungen bestimmter Fonds für steuerliche Zwecke nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben/Werbungskosten, sondern als zu aktivierende Anschaffungskosten zu behandeln (insbesondere die Management Fee). Mit § 6e EStG sollte die über mehrere Jahrzehnte entwickelte, sog. Vertragsgeflecht-Rechtsprechung erhalten bleiben, die der BFH im Jahr 2018 aufgegeben hatte (IV R 33/15).
Bei Anwendung der Vorschrift im PE/VC-Bereich würden sich laufende Kosten wie die Management Fee bei in Deutschland steuerpflichtigen Investoren erst bei einer späteren Veräußerung von Beteiligungen auswirken können. Bei Kapitalgesellschaften wirken sich diese Kosten dann gar nicht oder nur zu 5% auf die steuerliche Bemessungsgrundlage aus. In diesen Fällen würde es sich somit nicht um einen rein temporären steuerlichen Effekt handeln, sondern abzugsfähige Betriebsausgaben würden nachhaltig in nicht (oder nur partiell) abzugsfähige Anschaffungskosten transformiert. In Bezug auf die Management Fee wirkt sich dies zudem regelmäßig über mehrere Jahre aus.
§ 6e EStG ist regelungstechnisch misslungen und ohne intensive Vorbefassung mit der zugrundeliegenden Rechtsprechung kaum nachvollziehbar. Dies betrifft insbesondere den Anwendungsbereich der Vorschrift. Diese Unzulänglichkeiten kann auch der Entwurf des BMF-Schreibens nicht beseitigen. Positiv hervorzuheben ist jedoch die erkennbare Absicht des BMF, die Regelung trotz ihrer Komplexität handhabbar zu machen. Gleichzeitig lässt das Entwurfsschreiben zahlreiche Anwendungsfragen offen. Eine weitere Nachschärfung wäre wünschenswert und aus Sicht der Praxis auch notwendig. Das BMF-Schreiben wäre nach dem Entwurf auf alle offenen Fälle anzuwenden.
Es handelt sich um einen Entwurf mit besonders praktischer Relevanz für PE-/VC-Fonds. Auch wenn sehr gute Gründe dagegensprechen, steht die Anwendung von § 6e EStG auf diese Fonds immer wieder im Raum. Nachfolgend fassen wir die für PE-/VC-Fonds wichtigsten Aspekte des Entwurfs des BMF-Schreibens zusammen.
2. Anwendungsbereich: Keine Bereichsausnahme für PE-/VC-Fonds
Nach dem Entwurf können alle geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft unter § 6e EStG fallen. Eine Bindung an den aufsichtsrechtlichen Begriff des Investmentvermögens bestehe nicht (nach dem BMF sollen auch Ein-Anleger-Vehikel und operative Unternehmen außerhalb des Finanzsektors unter die Vorschrift fallen können). Demnach wären somit als GmbH & Co. KG oder ausländische Personengesellschaft strukturierte PE-/VC-Fonds erfasst. Insbesondere sieht das BMF auch Fonds mit einem (Semi-)Blind-Pool-Konzept als erfasst an. Der Entwurf weist zudem auf die gesetzlichen Regelungen hin, nach denen sowohl gewerbliche als auch vermögensverwaltende Fonds in den Anwendungsbereich des § 6e EStG fallen können.
Der Entwurf lässt die generelle Einordnung vermissen, dass es sich bei § 6e EStG um eine Missbrauchsvermeidungsvorschrift handelt, die eine spezifische Modellhaftigkeit („Steuersparmodell“) voraussetzt. Diese Einordnung der Vorschrift wäre insbesondere für PE-/VC-Fonds relevant, die gerade nicht auf die Erzielung negativer Einkünfte, sondern auf eine originäre Renditeerwartung ausgerichtet sind. Dies hatte das BMF im Anwendungsschreiben zu § 15b EStG noch explizit zutreffend erkannt und für PE-/VC-Fonds eine Bereichsausnahme verfügt. Eine solche wäre auch im Rahmen von § 6e EStG dringend zu empfehlen.
Der Entwurf gibt gleichwohl zu erkennen, dass nur Fonds erfasst werden, bei denen (i) der Initiator des Fonds ein vorformuliertes Vertragswerk vorgibt und (ii) die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten darauf haben. Beide separat zu prüfenden Merkmale müssen kumulativ erfüllt sein. Das vorformulierte Vertragswerk stellt dabei als aus Anlegerperspektive zu beurteilendes Strukturmerkmal die notwendige Bedingung dar, ohne deren Vorliegen § 6e EStG insgesamt nicht anwendbar ist. Auf die „wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten“ kommt es dann nicht mehr an. Dieser Umstand sollte im finalen BMF-Schreiben noch deutlicher hervorgehoben werden.
3. Unklarheiten bei zentraler Voraussetzung „vorformuliertes Vertragswerk“
Nach der im Entwurf dargelegten Verwaltungsauffassung ist ein Vertragswerk (dies soll nach Auffassung des BMF bereits in Gestalt des Gesellschaftsvertrags eines Fonds – Limited Partnership Agreement, kurz: LPA - vorliegen) vorformuliert, wenn der einzelne Anleger weder die Vertragsgestaltung, insbesondere in der Beitrittsphase, noch die Vertragsdurchführung wesentlich beeinflussen kann und nur die Möglichkeit hat, das Vertragswerk anzunehmen oder sich nicht am Projekt zu beteiligen.
Auch Fonds mit einer Blind-Pool-Strategie sollen nach dem Entwurfsschreiben typischerweise ein vorformuliertes Vertragswerk haben. Entgegen der Gesetzesregelung konstatiert das Entwurfsschreiben damit eine Vermutung für das Vorliegen eines vorformulierten Vertragswerks. Diese Vermutung sollte – da es für sie an einer Rechtsgrundlage fehlt – im finalen BMF-Schreiben entfallen. Sie entspricht auch nicht den praktischen Gegebenheiten.
Abgesehen davon lässt das Entwurfsschreiben wichtige Fragen offen, deren Klärung durch das finale BMF-Schreiben aus Praxissicht sehr zu begrüßen wäre:
- Nach der Gesetzessystematik sind Fonds ohne vorformuliertes Vertragswerk nicht von § 6e EStG erfasst. Auf die im Gesetz an anderer Stelle genannten „wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten“ kommt es insofern nicht an. Das finale BMF-Schreiben sollte diese Unterscheidung klarstellen. Der Entwurf vermittelt stellenweise noch den Eindruck, als wären wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten die bloße Kehrseite eines „vorformulierten Vertragswerks“. Dies ist indes nicht der Fall und bedarf einer strikten Trennung.
- Zudem wird der Begriff des „Vertragswerks“ nicht näher beschrieben. Nach der Historie von § 6e EStG (Vertragsgeflecht-Rechtsprechung) müsste ein Vertragsbündel vorliegen, bei dem (einheitliche) Anschaffungskosten auf verschiedene Verträge und Leistungskomponenten aufgeteilt werden. Das ist bei PE-/VC-Fonds mit dem LPA als zentralem Vertragsdokument anders. Das Entwurfsschreiben scheint indes (überschießend) „den Gesellschaftsvertrag“ als Vertragswerk ausreichen zu lassen.
- Schließlich bleibt auch der im Entwurf genannte, wenngleich nicht näher begründete Maßstab der „wesentlichen Beeinflussung“ auf das Vertragswerk unkonkret. Zu den Anforderungen an eine Vorformulierung wären insofern weitere Ausführungen im finalen BMF-Schreiben wünschenswert. U.E. sprechen LPA-Verhandlungen zwischen den Fondsinitiatoren und (Anker-)Investoren generell gegen ein vorformuliertes Vertragswerk. Gleiches gilt für individuell verhandelte Side Letter, die thematisch zum „vorformulierten Vertragswerk“ gehören, vom Entwurfsschreiben allerdings nur im Zusammenhang mit „wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten“ behandelt werden (dazu sogleich). Fakt ist, dass die Zeichnung von PE-/VC-Fonds regelmäßig mit Verhandlungen einher geht und der Investor bzw. Anleger – anders als bei sog. Publikumsfonds, für welche § 6e EStG eingeführt wurde und die Gegenstand der maßgeblichen Vertragsgeflecht-Rechtsprechung waren – gerade nicht nur entscheiden darf ob er zu den vorgefundenen Bedingungen unterzeichnet oder nicht.
Das Nichtvorliegen eines vorformulierten Vertragswerkes muss mit angemessenen Mitteln nachweisbar sein. Eine faktisch pauschale Anwendung des § 6e EStG auf sämtliche Fonds dürfte angesichts seiner Historie und seines Charakters als spezielle Missbrauchsvermeidungsnorm im Bereich der steuerlichen Verlustnutzung von der Finanzverwaltung nicht beabsichtigt sein. Dies auch vor dem Hintergrund, dass § 6e EStG seinerzeit eingeführt wurde, um die frühere Vertragsgeflecht-Rechtsprechung, welche exklusiv zu bestimmten modellhaften Publikumsfonds erging, festzuhalten, ohne aber Verschärfungen bewirken zu wollen. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien.
4. Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten
Der Entwurf befasst sich vergleichsweise ausführlich mit den „wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten“ von Investoren auf das vorformulierte Vertragswerk. In strikter Unterscheidung zum „vorformulierten Vertragswerks“ – einem aus Anlegerperspektive zu beurteilendem Strukturmerkmal (s.o.) - handelt es sich dabei um ein aus Perspektive der Fondsgesellschaft zu beurteilendes, konkret-tatsächliches Merkmal:
- Nach dem Entwurfsschreiben müssen die Anleger über die wesentlichen Vertragsgestaltungen (insbesondere die Auswahl der konkreten Investitionsobjekte, deren Finanzierung und Nutzung) und deren Umsetzung tatsächlich selbst bestimmen können.
Diese Maßstäbe können schon deshalb nicht auf PE-/VC-Fonds angewandt werden, weil sie ihrer aufsichtsrechtlichen Konzeption widersprächen (danach wird das Kapital der Investoren nie von ihnen selbst, sondern von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft und damit stets ohne direkte Einflussnahmemöglichkeit der Investoren „fremdverwaltet“). Die Vorgabe des BMF wäre folglich aufsichtsrechtlich gar nicht zulässig. - Eine Vertretung der Anleger in einem Beirat genügt nach dem Entwurfsschreiben nur dann für eine wesentliche Einflussnahmemöglichkeit, wenn über die Einrichtung und Zusammensetzung eines Beirats allein die Gesellschafter (Investoren) frühestens ab Einzahlung von 50% des zugesagten Kapitals entscheiden dürfen.
Dieser Punkt wäre bei PE-/VC-Fonds nie erfüllt und ließe den Investorenbeirat (LPAC) als Kriterium für eine Einflussnahmemöglichkeit unberücksichtigt. Das würde gleichfalls an der Praxis vorbei gehen.
Das BMF scheint davon auszugehen, dass dieses Merkmal sowohl bei sog. originären Erwerberfonds (§ 6e Abs. 1 Satz 1 EStG) als auch bei sog. Herstellerfonds (§ 6e Abs. 1 Satz 2 EStG) relevant sein kann. Diese Auffassung ist vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Das Merkmal ist vielmehr für Erwerberfonds, und damit auch für PE-/VC-Fonds, bereits im Ausgangspunkt nicht relevant, und sollte nur im Falle von Herstellerfonds zu prüfen sein.
Überdies bleibt die generelle Bedeutung des Merkmals in der Auslegung des BMF unklar – Fonds im Anwendungsbereich des KAGB dürften die vom BMF gestellten Anforderungen bereits aus aufsichtsrechtlichen Gründen regelmäßig nicht erfüllen können (s.o.). In der Praxis dürfte das Merkmal daher nur geringe Relevanz haben. Die (Nicht-)Anwendung von § 6e EStG wird vielmehr anhand des Merkmals des „vorformulierten Vertragswerks“ entschieden. Auch deshalb ist die Klarstellung wichtig, dass die beiden Merkmale voneinander zu unterscheiden und separat zu prüfen sind.
5. Umfang der Fondsetablierungskosten
Bei Anwendbarkeit von § 6e EStG wären im PE-/VC-Bereich nach dem Entwurfsschreiben die typischen und wesentlichen Aufwandsposten erfasst (insb. Kosten für Fundraising, Gründungsaufwand, Management Fees, Vermittlungsgebühren und Beratungskosten).
Die Aktivierungspflicht besteht nach dem Gesetz nur während der Investitionsphase. Über deren Beginn und Ende herrscht bisher Unklarheit. Nach dem Entwurf ist die jeweilige LPA-Regelung unbeachtlich. Die Investitionsphase i.S.d. § 6e EStG soll stattdessen mit den „ersten Planungshandlungen“ (also schon vor dem ersten Fonds-Closing) beginnen und bei Fonds mit mehreren Assets enden, „wenn alle laut Investitionskonzept angeschafften Wirtschaftsgüter betriebsbereit sind“. Das BMF erlaubt die pauschale Annahme, dass die Investitionsphase endet, wenn 80% des Investitionsvolumens erstmalig für Investitionen in Wirtschaftsgüter verwendet wurden. Bei SPVs mit nur einer Portfoliobeteiligung soll die Investitionsphase mit der „Betriebsbereitschaft“ der Beteiligung enden.
Eine einheitliche Investitionsphase kann aus Investorensicht nachteilig sein, weil dann ggf. noch Aufwendungen zu aktivieren sind, die der Verwaltung bereits erworbener Portfoliobeteiligungen dienen. Unter der Prämisse einer einheitlichen Investitionsphase ist die 80%-Grenze eine gewisse Vereinfachung. Eine Rechtsgrundlage hierfür ist aber nicht erkennbar und das Verständnis des BMF passt ersichtlich nicht zu PE/VC-Fonds. Bei diesen werden Erstinvestments innerhalb einer zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Investitionsphase von meist vier bis fünf Jahren gemacht. Insbesondere bei VC-Fonds sind am Ende der Investitionsperiode aber in aller Regel noch weit weniger als 80% der Kapitalzusagen investiert.
6. Aufteilung der Fondsetablierungskosten auf einzelne Portfoliobeteiligungen
Nach dem Entwurf soll die Zuordnung der Anschaffungskosten zu den einzelnen in einem Wirtschaftsjahr angeschafften Wirtschaftsgütern zweistufig erfolgen – auf erster Stufe werden den Wirtschaftsgütern direkt zuzuordnende Aufwendungen unmittelbar zugeordnet, auf zweiter Stufe werden die verbleibenden (Gemein-)Kosten nach dem Verhältnis der ersten Stufe verteilt. Der Entwurf sieht für Zwecke der periodenübergreifenden Verteilung von Anschaffungskosten ferner die Möglichkeit vor, Ausgleichsposten zu bilden. Ein solcher Posten ist zwingend für Jahre zu bilden, in denen keine Anschaffungen erfolgen.
7. Zusammenfassung und Ausblick
Bei typischen PE-/VC-Fonds sprechen sehr gute Gründe gegen eine Anwendung des § 6e EStG. Bei diesen liegt regelmäßig kein „vorformuliertes Vertragswerk“ vor – schließlich ist der Fondsgesellschaftsvertrag Gegenstand intensiver Verhandlungen. Auf das Vorliegen „wesentlicher Einflussnahmemöglichkeiten“ kommt es hingegen nicht an, die beiden Begriffe sind auch keinesfalls deckungsgleich. Dieses Verhältnis sollte im finalen BMF-Schreiben noch deutlicher herausgestellt werden, denn es war in der Praxis in der Vergangenheit ein regelmäßiger Streitpunkt mit den Finanzämtern. „Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten“ sind ohnehin nur bei Herstellerfonds relevant und können bei PE-/VC-Fonds (sowie bei allen Investmentvermögen i.S.d. KAGB) schon im Ausgangspunkt nicht vorliegen.
Im Übrigen bleibt das Entwurfsschreiben an mancher Stelle vage und lässt so weiterhin viel Raum für Streit um die Anwendung der Regelung im Einzelfall. Es wäre wünschenswert, dass das BMF insoweit Klarstellungen vornehmen würde. Dadurch könnte das finale BMF-Schreiben eine gelungene Handreichung zum Anwendungsbereich von § 6e EStG werden. Bis dahin bleibt § 6e EStG ein potenzieller (Steuer-)Streitpunkt für viele PE-/VC-Fonds. Im Ergebnis müssen sich alle PE-/VC-Fonds mit dem Anwendungsbereich dieser Norm auseinandersetzen (siehe dazu unseren Tax Talk).
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