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Carried Interest – a (never) ending story?

Mit Urteil vom 16. April 2024 (Az. VIII R 3/21, veröffentlicht am 18. Juli 2024) bestätigte der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechungslinie zur Einordnung von kapitaldisproportionalen Ergebniszuweisungen bei geschlossenen Fonds (Carried Interest) und übertrug wesentliche Wertungen, die er im Jahr 2018 (Az. VIII R 11/16) bereits für gewerbliche Fonds angestellt hatte, auf die – praxisrelevante – Einordnung der steuerlichen Charakterisierung von Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds. 

Der Tenor, in dem der BFH der Revision der Finanzverwaltung stattgibt, lässt auf den ersten Blick einen Erfolg der Finanzverwaltung und deren fragwürdiger Einordnung des Carried Interest als Tätigkeitsvergütung anstatt als Gewinnanteil (vgl. BMF, Schreiben vom 16. Dezember 2003, Tz. 24, BStBl. I 2004, S. 40) vermuten. Dabei geht es allerdings nur um verfahrensrechtliche Verstöße aus dem erstinstanzlichen Urteil des Finanzgerichts München, welche der BFH von Amts wegen prüfte. In materieller (inhaltlicher) Hinsicht ist das Urteil für den Steuerpflichtigen äußerst erfreulich – und erwartbar gewesen:

Nach Ansicht des BFH stellt eine Carried Interest-Abrede nicht – wie von der Finanzverwaltung pauschal unterstellt – zwingend eine Vereinbarung über eine (verdeckte schuldrechtliche) Tätigkeitsvergütung dar. Sie führt daher auch nicht dazu, dass Investoren in einem ersten Schritt sämtliche Rückflüsse (inkl. der Carried Interest Zahlungen an die Initiatoren) zu versteuern haben und in einem zweiten Schritt die geleisteten Carried Interest Zahlungen als (nicht abziehbare) Werbungskosten behandeln müssen. Carried Interest ist vielmehr regelmäßig Teil der Gewinnverteilung, der in typischen Private Equity- oder Venture Capital-Fondsstrukturen gemäß der vom BFH formulierten Anforderungen auch steuerrechtlich anzukennen ist. Daran ändert auch die Spezialnorm des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nach Auffassung des BFH nichts.

Die wesentlichen inhaltlichen Aspekte der BFH-Entscheidung lauten im Einzelnen:

  1. Im Zweifel liegt eine Gewinnverteilungsabrede vor: Wird im Gesellschaftsvertrag ein Carried Interest vereinbart, kann dieser entweder als Gewinnanteil oder als Tätigkeitsvergütung qualifizieren. Die Qualifikation ist prima facie von der tatsächlichen Handhabung beim Fonds abhängig. Nur, wenn – nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags – der Carried Interest auf Ebene des Fonds als (handelsrechtliche) Ausgabe behandelt wird und er erfolgsunabhängig zu bezahlen ist, ist von einer Tätigkeitsvergütung auszugehen. Dies ist in den einschlägigen Fondsstrukturen regelmäßig beides nicht der Fall. Daher liegt (im Zweifel) ein Gewinnanteil vor.

  2. Liegt eine Gewinnverteilungsabrede vor, muss diese steuerrechtlich anzuerkennen sein: Wird der Carried Interest aufgrund einer Gewinnverteilungsabrede (siehe 1.) geleistet, ist weitere Voraussetzung, dass diese Abrede auch steuerrechtlich anerkannt werden muss. Auch wenn die Gesellschafter einer Personengesellschaft grundsätzlich frei darin sind, ihre Rechtsverhältnisse untereinander und mithin die Gewinnverteilung so zu regeln, wie es ihnen richtig zu sein scheint, müssen für die steuerliche Anerkennung einer Gewinnverteilungsabrede zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 
     
    1. Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis: Für die Gewinnverteilung müssen allein die Verhältnisse der Gesellschafter in der Gesellschaft und insbesondere ihre Beiträge zum Gesellschaftszweck maßgebend sein. Das ist nicht der Fall, wenn andere Beziehungen zwischen den Gesellschaftern oder wirtschaftliche Beziehungen außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses die Gewinnverteilungsabrede beeinflusst haben. Dies sollte in den typischen Fondsstrukturen regelmäßig verneint werden können, die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis sollte daher regelmäßig erfüllt sein.

    2. Fremdvergleich: Weiter ist zu prüfen, ob die Gewinnverteilung im natürlichen Interessengegensatz ausgehandelt wurde. Zwischen fremden Dritten liegt ein solcher Interessengegensatz regelmäßig vor. Dann ist die Gewinnverteilung auch fremdüblich und somit angemessen. In typischen Fondsstrukturen dürfte also auch diese Voraussetzung unkritisch sein.

  3. Abweichende vermögensmäßige Beteiligung unerheblich: Liegt eine steuerrechtlich anzuerkennende Gewinnverteilungsabrede vor, kommt eine (davon abweichende) Zurechnung der Einnahmen und Werbungskosten anhand der Kapitalanteile in § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht in Betracht. Es sind ausschließlich die Gewinnverteilungsregeln zu berücksichtigen.

  4. Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG lässt diese Grundsätze unverändert: Auch die Spezialnorm des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG führt nicht zu einer Umqualifizierung des Gewinnanteils – hier: Carried Interest – in eine verdeckte schuldrechtliche Tätigkeitsvergütung. Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Normzweck des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG. 


Rechtliche Einordnung und Praxishinweise: 

Es handelt sich nicht um eine rechtskräftige Entscheidung. Das Finanzgericht München (an das wegen der verfahrensrechtlichen Verstöße zurückverwiesen wurde) wird – unter Beachtung der „Segelanweisung“ des BFH – in der Sache neu entscheiden müssen.

Der Rechtsanwender sollte allerdings auch schon vor der endgültig rechtskräftigen Entscheidung im zweiten Rechtsgang Rechtssicherheit zu der Frage der Einordnung des Carried Interest als Gewinnanteil haben, denn in dieser Hinsicht waren die inhaltlichen Ausführungen des BFH erfreulich eindeutig. Wesentliche materiell-rechtliche Fragen sollten nun endgültig als geklärt anzusehen sein. Die Gewinnverteilungsabrede ist in den typischen Fondsstrukturen anzuerkennen. Dies bestätigt die langjährige Behandlung in der Praxis. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung nunmehr (endlich) akzeptiert – im Sinne der Rechtssicherheit wäre dies wünschenswert.

Dies ist eine gute Nachricht für Private Equity- und Venture Capital-Fonds, deren Initiatoren und Investoren. Insbesondere für Investoren, die ihren Anteil an einem vermögensverwaltenden Fonds im steuerlichen Privatvermögen halten, hätte die – nun vom BFH eindeutig zurückgewiesene - Auffassung der Finanzverwaltung unsachgemäße Mehrbelastungen mit sich bringen können.

Es bleiben aber auch noch Fragen offen: Während nunmehr geklärt ist, dass § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG in keinem Fall auf Ebene des Fonds anzuwenden ist bzw. nicht auf dieser Ebene über die Anwendbarkeit entschieden wird (und insbesondere nicht in die Gewinnverteilung und Einkünfteermittlung des Fonds einwirkt), ist nicht abschließend klar, ob die Umqualifizierung gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG (von i.d.R. Kapital- in Tätigkeitseinkünfte) auf Ebene des typischerweise am Fonds beteiligten Carry Vehikels (einer reinen Bündelungsgesellschaft) oder erst auf der darüberliegenden Ebene des Carry-Holders (natürliche Person) erfolgt. Die Praxis hatte sich im Rahmen des zu Grunde liegenden Verfahrens eine klarstellende Positionierung des BFH erhofft. Die vom BFH verwendete Formulierung, „[d]ass § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur auf Ebene des Carried Interest-Berechtigten oder einer Carry-Holder-Gesellschaft Wirkung (…)“ entfalte, belässt insoweit weiterhin Interpretationsspielraum, weil u.a. nicht klar ist, ob mit „Carry-Holder-Gesellschaft“ das typische Carry-Bündelungsvehikel gemeint ist oder – marktunüblich – eine persönliche Carry Holdinggesellschaft eines Carry-Berechtigten. Interessant ist diese Frage aus technischer Sicht unter Umständen für Carry-Holder, die im Ausland tätig sind, oder für solche, deren Beitrag zur Investitionstätigkeit des Fonds vergleichsweise gering ist. 


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