Strukturfragen im Bereich Corporate Venture Capital (CVC)
In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung von Corporate Venture Capital (CVC) deutlich zugenommen. Die Bandbreite der Aktivitäten von Großunternehmen (Corporates) reicht dabei von opportunistisch geprägten, direkten Einzelinvestments aus der Bilanz über Investitionen durch dedizierte und häufig körperschaftlich organisierte Tochtergesellschaften bis hin zu Portfoliostrategien durch organisatorisch getrennte, separate Ein-Investoren-Fonds und vollständig unabhängige Multi-Investoren-Fonds unter Beteiligung Dritter.
Trend zu marktüblichen Fondsstrukturen
Beleuchtet man die Entwicklung der CVC-Aktivitäten näher, zeichnet sich eine gewisse Genese ab. Oftmals sind opportunistische Direktinvestitionen der Ausgangspunkt von CVC-Aktivitäten. Endpunkt der Evolution ist in vielen Fällen ein Ein-Investoren-Fonds oder gar ein Multi-Investoren-Fonds mit dem entsprechenden Corporate als Ankerinvestor.
Auf dieser letzten Entwicklungsstufe trägt die separate CVC-Einheit häufig das Rechtsgewand eines marktüblichen, geschlossenen Venture Capital Fonds. Sie hat regelmäßig die Rechtsform einer GmbH & Co. KG, an der der Corporate als kapitalgebender Kommanditist und Einzel- bzw. Ankerinvestor beteiligt ist, während die Verwaltung des Fonds über eine (mehr oder weniger) unabhängige Managementgesellschaft erfolgt. Die Entwicklung zu einer marktüblichen Fondsstruktur mit unabhängigem Management ist oft das Ergebnis eines mehrjährigen Erfahrungs- und Entwicklungsprozesses. Grundvoraussetzung für eine solche Struktur, die dem Management weitgehende Freiheiten bescheren kann, ist gegenseitiges Vertrauen zwischen Corporate und Management, das sich in vielen Fällen erst langsam aufbaut. Dieser Beitrag soll einen Überblick darüber geben, welche Beweggründe bei CVC-Aktivitäten für eine marktübliche Venture Capital Fondsstruktur sprechen und welche Themen üblicherweise zwischen dem Corporate und dem Managementteam erörtert werden.
Feste und verbindliche Kapitalzusage
Mit der Strukturierung als marktüblicher Venture Capital Fonds geht die Übernahme einer festen Kapitalzusage durch den Corporate einher. Die Regelungen des Gesellschaftervertrags der Fondsgesellschaft (LPA) sehen gewöhnlich vor, dass der Corporate als Kommanditist die unbedingte und unwiderrufliche Verpflichtung übernimmt, über die Laufzeit des Fonds einen fest vereinbarten Gesamtbetrag zu entrichten, der im Wege von Kapitalabrufen sukzessive eingefordert wird. Werden die Kapitalabrufe nicht bedient, so greifen typischerweise spezielle Verzugsregeln, die im Einzelfall auch vorsehen können, dass ein dauernder Verzug zum Ausschluss des Corporate aus der Fondsgesellschaft führt – in der Regel unter Beschränkung von Abfindungsansprüchen. Der Corporate gibt durch die feste Kapitalzusage – nach außen sichtbar – ein klares Versprechen ab, dauerhaft, nachhaltig und langfristig über die CVC-Einheit zu investieren, und zwar unabhängig von personellen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen auf Ebene des Corporate. Der CVC-Einheit bzw. dem Managementteam wird dadurch Planungssicherheit über einen festen Zeitraum gegeben.
Unabhängige Entscheidungsprozesse
Das Management der CVC-Einheit ist bei einer typischen Venture Capital Fondsstruktur weitgehend unabhängig von dem als Ankerinvestor agierenden Corporate. Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, die Ausübung von Gesellschafterrechten bei den Portfoliounternehmen und andere Verwaltungsentscheidungen werden nicht durch den Corporate selbst getroffen, sondern obliegen grundsätzlich allein dem Managementteam, das wiederum die Vorgaben des LPAs zu berücksichtigen hat. Die Entscheidungsfindung des Fondsmanagements unterliegt somit auch nicht den gegebenenfalls mehrstufigen und aufwendigen konzerninternen Prozessen auf Ebene des Ankerinvestors.
Mitsprache bzw. Einbindung des Corporate
Zwischen Ankerinvestor und Managementteam wird – auch bei der Verwendung einer üblichen Fondsstruktur – häufig die Frage diskutiert, ob es eine laufende Einbindung des Corporate in das Management des Fonds geben soll. Jedenfalls eine Mitsprache bei jeglicher Investition und Desinvestition erscheint nicht unbedingt zielführend. Hierdurch würde in spezifisches Wesensmerkmal einer marktüblichen Fondsstruktur – die unabhängige und schnelle Entscheidungsfindung – konterkariert.
Den Interessen des Corporate wird aber vereinzelt dadurch Rechnung getragen, dass die Investitionsbeschränkungen des LPAs eine Obergrenze vorsehen, bei deren Überschreiten die Zustimmung des Ankerinvestors bzw. des Investorenbeirats (in dem der Corporate repräsentiert ist) eingeholt werden muss. Eine entsprechende Obergrenze sollte aber idealerweise so ausgestaltet sein, dass sie nur bei außergewöhnlichen Transaktionen greift und nicht bei jeder regelmäßigen Entscheidung der Fondsverwaltung. Ferner wird der Corporate häufig in die Entscheidungsprozesse des Managementteams eingebunden, indem er einen Vertreter als (nicht stimmberechtigten) Beobachter in die Sitzungen des für Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen zuständigen Investitionsausschusses entsenden darf. Verschiedentlich wird auch ein turnusmäßiger Austausch zwischen Fondsmanagement und Ankerinvestor zu Investitionen, Desinvestitionen und Dealflow vorgesehen und institutionalisiert.
Gesellschafterstruktur der Managementgesellschaft
Im Zusammenhang mit Mitspracherechten des investierenden Corporate ist die Gesellschafterstruktur der Managementgesellschaft einer der zentralen Verhandlungspunkte zwischen Corporate und Managementteam. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Managementgesellschaft die wesentlichen Entscheidungen für die Verwaltung des Fonds trifft und sich hier zudem aufgrund der Sichtbarkeit im Markt eine eigenständige (vom Corporate unabhängige) Marke entwickeln kann.
In der Praxis sieht man verschiedene Gestaltungen. Neben Fällen, in denen der Corporate Alleingesellschafter der Managementgesellschaft ist, gibt es ebenso Konstellationen, in denen die Managementgesellschaft ausschließlich dem Managementteam gehört. Alternativ kann jeweils einer der Parteien eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt werden, gegebenenfalls mit dem Recht, bei Eintritt bestimmter Umstände, die Mehrheit von der jeweils anderen Seite zu erwerben. Soll das Managementteam der CVC-Einheit unabhängig vom Corporate agieren, so sollte sichergestellt sein, dass es sich auf Ebene der Managementgesellschaft auch durchsetzen kann. Anderenfalls wird die angestrebte Abkopplung von den Entscheidungsprozessen beim Corporate nicht vollständig umgesetzt.
Die Frage der Gesellschafterstruktur der Managementgesellschaft ist häufig mit der Frage verknüpft, ob das Managementteam ein Eigeninvestment (Skin in the Game) erbringt. Soll das Managementteam nicht oder nicht wesentlich an der Managementgesellschaft beteiligt sein, besteht regelmäßig wenig Bereitschaft des Managementteams, einen eigenen Kapitalbeitrag zum Fonds zu leisten.
Erfolgsbezogene Vergütung des Managementteams
Die Strukturierung der CVC-Einheit als klassischer Venture Capital Fonds erlaubt es, die erfolgsbezogene Vergütung des Managementteams als Carried Interest auszugestalten und dem Managementteam einen marktüblichen überproportionalen Gewinnanteil einzuräumen. Neben der Gesellschafterstruktur der Managementgesellschaft wird auch die Incentivierung des Managementteams häufig zwischen Corporate und Managementteam kontrovers diskutiert. Die finanziellen Anreize eines marktüblichen Carried Interest divergieren mitunter stark von den Gratifikationen aus dem operativen Bereich des Corporate.
Aufnahme weiterer Investoren
CVC-Einheiten mit klassischer Venture Capital Fondsstruktur erlauben ohne größeren Aufwand die Aufnahme zusätzlicher Investoren, die der Fondsgesellschaft als weitere Kommanditisten beitreten. Erfahrungsgemäß prüfen Neuinvestoren im Rahmen ihres Beitritts, inwieweit die Unabhängigkeit des Managementteams vom Ankerinvestor sichergestellt ist. Dies betrifft vor allem die Themen unabhängige Entscheidungsprozesse, Mitspracherechte des Corporate und die Gesellschafterstruktur der Managementgesellschaft.
Einbindung eines erfahrenen Managements
Auch bei CVC-Aktivitäten zeigt die Erfahrung, dass die langfristige Einbindung markterfahrener Manager mit belastbarem Track Record und Investmenterfahrung ein wesentliches Kriterium für den Erfolg der CVC-Aktivitäten sein kann. Fehlentwicklungen können durch erfahrene Manager frühzeitig vermieden werden. Zudem kann ein bestehendes Netzwerk Gewähr dafür bieten, dass der Corporate Zugang zu den erfolgreichen Startups erhält.
Erfahrene Manager werden regelmäßig darauf achten, dass die Struktur der CVC-Einheit, die Entscheidungsfindung und die Vergütung des Managements marktüblichen Usancen entspricht. Eine klassische Venture Capital Fondsstruktur ermöglicht dies. Gestaltungen, bei denen sich die Manager aufgrund der Beteiligungsstruktur der Managementgesellschaft eher als weisungsempfangende Angestellte fühlen, bei denen die Visibilität im Markt als eigenständig agierendes Team eingeschränkt ist oder bei denen die erfolgsbezogene Vergütung stark unterschiedlich von herkömmlichen Carried Interest-Strukturen ist, dürften tendenziell weniger attraktiv sein. Die besondere Herausforderung bei CVC-Aktivitäten besteht darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Managements und des Corporate zu finden. In der Praxis sind häufig Entwicklungen zu eher managementfreundlichen Strukturen zu erkennen, sobald sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den Partnern entwickelt hat.
Kernaussagen:
- Durch die Gestaltung von CVC-Einheiten als klassischer Venture Capital-Fonds kann eine wichtige strukturelle Grundlage für erfolgreiche CVC-Aktivitäten geschaffen werden.
- Eine marktübliche Venture Capital-Fondsstruktur kann die Voraussetzung
für nachhaltige und langfristige CVC-Aktivitäten, schnelle und effiziente
Entscheidungsprozesse, ein unabhängiges Management und eine marktübliche
Incentivierung des Managementteams bieten. - Insbesondere für die Gewinnung erfahrener externer Manager für CVC-Aktivitäten kann eine marktübliche Venture Capital Fondsstruktur grundlegende Bedeutung haben.
- Neben einer typischen Struktur sollte durch Regelungen in den Fondsverträgen sichergestellt werden, dass die mit der Struktur bezweckten Ziele (insbesondere effiziente Entscheidungsprozesse und ein unabhängiges CVC-Management) konsequent umgesetzt werden.
Dieser Beitrag erschien zuerst im JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2021/2022.
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Steuerberater:innen, Tax Specialists sowie eine Notarin in vier Büros in Berlin, Hamburg, Köln und München tätig.