Der Bundesrat hat am heutigen 24. November dem sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz zugestimmt. Damit ändern sich u.a. die Rahmenbedingungen für die Besteuerung von Employee Stock Ownership Plans (ESOPs) bei Startups.
Das Problem des Dry Income kann aufgrund der Neuregelung in einer Vielzahl von Fällen vermieden werden. Dry Income-Situationen entstehen bei Beteiligungen an Startups grundsätzlich, wenn Mitarbeiter:innen vergünstigt Beteiligungen an dem Unternehmen erhalten. Denn die Vergünstigung stellt im Zeitpunkt der Einräumung der Beteiligung steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, obwohl die Mitarbeiter:innen die Beteiligung nicht zeitnah veräußern können und völlig ungewiss ist, ob sie später Erlöse aus der Beteiligung erzielen. Die gesetzliche Sonderregelung für Startups in § 19a EStG ermöglicht es, die Besteuerung aufzuschieben, bis die Beteiligung später veräußert wird.
Die bereits im Jahr 2021 eingeführten Regelung hatte sich als nicht praxistauglich erwiesen, insbesondere weil eine Besteuerung stets erfolgte, wenn Mitarbeiter:innen das Unternehmen verließen. Dies kann nun vermieden werden, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuerhaftung übernimmt (siehe unter 2.2). Zudem erweitert die nun beschlossene Fassung der steuerlichen Regelungen den Anwendungsbereich auch auf deutlich größere Unternehmen als bisher (siehe unter 1.1).
Nicht umgesetzt wurde jedoch die im Gesetzentwurf zunächst enthaltene 25%-Pauschalbesteuerung für den bei der Übertragung der Beteiligung eingeräumten Vorteil. Es bleibt bei der vollen Besteuerung als Arbeitslohn, die lediglich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann. Nur für Wertsteigerungen, die nach Einräumung der Beteiligung entstehen und beim Verkauf realisiert werden, findet die günstigere Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen (26,4% bzw. bis zu 28,5% bei Beteiligung von mind. 1%) Anwendung.
Kurz vor Abschluss des parlamentarischen Verfahrens wurde zudem auf Empfehlung des Finanzausschuss des Bundestages noch die sog. Konzernklausel gestrichen. Deutsche Mitarbeiter:innen ausländischer Startups mit deutschen Tochtergesellschaften können den Besteuerungsaufschub daher nicht in Anspruch nehmen. Auch bei deutschen Startups, deren Mitarbeiter:innen in einer Tochtergesellschaft angestellt sind (z.B. aus regulatorischen Gründen), findet die Regelung nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Anwendung.
Steuerlich ermöglicht die Neuregelung, dass Mitarbeiter:innen beim Exit zum Teil von der günstigeren Besteuerung als Kapitaleinkünfte profitieren können. Die Änderungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens haben die Praxistauglichkeit aber erheblich beeinträchtigt.
Noch schwerer wiegen die Zweifel an der Praktikabilität der Regelungen mit Blick auf die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen. Hier hat der Gesetzgeber versäumt, ebenfalls eine Verbesserung herbeizuführen.
Für Gründer und Investoren ist es regelmäßig ratsam, die Aufnahme von Mitarbeitern als Gesellschafter zu beschränken, um Einflussnahme auf Entscheidungen von existenzieller Bedeutung (z.B. Kapitalerhöhung, Exit) oder die Einräumung umfassender Informationsrechte zu verhindern. Darüber hinaus bedarf die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen stets der notariellen Beurkundung.
Will das Unternehmen seinen Mitarbeiter:innen den steuerlichen Vorteil ermöglichen, wird es vor diesem Hintergrund meist erforderlich sein, eine direkte Beteiligung der Mitarbeiter:innen als GmbH-Gesellschafter zu vermeiden, aber ein Instrument zu wählen, das steuerlich die Voraussetzungen einer Beteiligung i.S.d. § 19a EStG erfüllt. Dies bedeutet zusätzlichen Strukturierungsaufwand, laufende Kosten und rechtliche sowie steuerliche Unsicherheiten.
Mögliche Lösungsansätze liegen im Pooling von Mitarbeiterbeteiligungen in einer Personengesellschaft oder über die Einräumung von Unterbeteiligungen oder mittels Treuhandkonstruktionen. Auch die Gewährung von Genussrechten anstelle von „echten“ Geschäftsanteilen ist eine denkbare Lösung. Inwieweit sich diese Konzepte als echte Alternative zu VSOPs eignen, wird sich in naher Zukunft zeigen.
Im Folgenden wird ein Überblick über die wichtigsten Änderungen gegeben. Im Einzelnen:
1. Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 19a EStG
1.1. Deutliche Erweiterung auf größere und ältere Unternehmen
§ 19a EStG setzt voraus, dass das Unternehmen des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung bestimmte (KMU-)Schwellenwerte nicht überschreitet. Diese Parameter sollen nach § 19a Abs. 3 EStG angehoben werden, so dass auch größere Unternehmen unter § 19a EStG fallen können:
– bis zu 1.000 Beschäftigte (bisher: 250 Beschäftigte),
– Jahresumsatz 100 Mio. EUR (bisher: 50 Mio. EUR) und
– Jahresbilanzsumme 86 Mio. EUR (bisher: 43 Mio. EUR).
Auch der zeitliche Bezugsrahmen wird deutlich erweitert. So genügt es, wenn die drei genannten Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre erfüllt waren (bisher: im Zeitpunkt der Übertragung oder im vorangegangenen Kalenderjahr).
Der Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens kann im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung bis zu 20 Jahre zurückliegen (bisher: zwölf Jahre).
1.2. Gewährung von Anteilen auch durch Gesellschafter des Unternehmens
Zukünftig werden zudem weitere Fallkonstellationen von § 19a EStG erfasst, die bisher nicht oder nicht ausdrücklich von der Norm abgedeckt waren, nämlich Fälle, in denen die Anteile nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von einem Gesellschafter des Arbeitgebers übertragen werden. Diese Regelung ist zu begrüßen, da nunmehr auch ESOP-Programme begünstigt werden, die nicht mit der Schaffung neuer Anteile oder der Bildung einer Rücklage für eigene Anteile der Gesellschaft verbunden sind. Darüber hinaus erleichtert sie die Umsetzung von ESOPs zu Lasten einzelner Gesellschafter(gruppen). Es gilt jedoch weiterhin die Einschränkung, dass es sich dabei nach Ansicht der Finanzverwaltung nur um Anteile am Arbeitgeberunternehmen handeln kann (vgl. Ziffer 3.1).
1.3. Explizite Erweiterung des Anwendungsbereichs auf vinkulierte Anteile
Mit der Einführung eines neuen § 19a Abs. 1 Satz 3 EStG stellt der Gesetzgeber klar, dass § 19a EStG auch auf vinkulierte Anteile anzuwenden ist, über die der begünstigte Mitarbeiter:innen z. B. aufgrund marktüblicher Vesting-Regelungen tatsächlich nicht verfügen kann. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen und kann allenfalls als Klarstellung angesehen werden.
2. Erweiterung des Besteuerungsaufschubs
2.1. Verlängerung der Nachversteuerungsfrist
Die Nachversteuerungsfrist gemäß § 19a Abs. 4 EStG wird von zwölf auf 15 Jahre verlängert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt die (Lohn-)Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Vermögensbeteiligung durch Zeitablauf, wenn bis dahin kein anderer Besteuerungstatbestand ausgelöst wurde oder die Neuregelung zur Haftungsübernahme (vgl. Ziffer 2.2) greift. Ursprünglich war eine Verlängerung dieser Frist auf 20 Jahre vorgesehen.
2.2. Kein „dry income“ bei Haftungsübernahme durch den Arbeitgeber
Über die Verlängerung der Nachversteuerungsfrist hinaus kann die Besteuerung gemäß § 19a Abs. 4 EStG, die z.B. durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder den Ablauf der 15-Jahres-Frist ausgelöst wird, unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben und weiter in die Zukunft verschoben werden, bis der Arbeitnehmer die Beteiligung tatsächlich veräußert oder überträgt. Damit löst der Gesetzgeber in Zukunft tatsächlich in vielen Fällen die Dry Income Problematik in begrüßenswerter Weise.
Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber spätestens im Rahmen der auf den Ablauf der 15 Jahre bzw. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Lohnsteueranmeldung unwiderruflich erklärt, für die betreffende Lohnsteuer zu haften. Eine haftungsbefreiende Anzeige des Arbeitgebers, wie sie das Lohnsteuerrecht sonst vorsieht, ist dann nicht mehr möglich.
Damit wird der Praxis eine Handlungsoption eröffnet, um die Besteuerung von Dry Income dauerhaft zu vermeiden. Typisches Beispiel ist das Ausscheiden des Mitarbeiter:innen aus dem Unternehmen als „good-leaver“ unter (zumindest teilweiser) Beibehaltung der Beteiligung. Übernimmt der Arbeitgeber in diesem Fall die Haftung für die künftige Lohnsteuer, wird im Zeitpunkt des Ausscheidens kein Besteuerungstatbestand ausgelöst.
Die Haftung des Arbeitgebers sichert den Steueranspruch des Fiskus insbesondere in den Fällen, in denen Mitarbeiter:innen zum Zeitpunkt der Veräußerung ins Ausland verzogen ist.
Bei der Haftungsinanspruchnahme können aber z.B. auch die Übertragung von nicht vinkulierten Anteilen durch Mitarbeiter:innen oder Umstrukturierungen des Unternehmens zu einem Haftungsereignis führen. In diesem Zusammenhang werden die Arbeitgeber Sicherungsmechanismen schaffen müssen, um Haftungsereignisse zu vermeiden (z.B. durch schuldrechtliche Verbote gegenüber den Mitarbeiter:innen, Anteile zu übertragen, z.B. auf persönliche Holdinggesellschaften) oder die Durchsetzung von Regressansprüchen (z.B. durch Einbehalt vom Lohn) gegenüber den Mitarbeiter:innen nach einer Haftungsinanspruchnahme sicherzustellen.
2.3. Leaver-Fälle: Besteuerung beim Ausscheiden auf der Basis der tatsächlichen Vergütung
In Leaver-Fällen wird künftig sichergestellt werden, dass nur die tatsächlich an den Mitarbeiter ausgezahlte Vergütung als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung herangezogen wird. Betroffene Leaver-Fälle sind solche, in denen der / die Mitarbeiter:in aus dem Unternehmen ausscheidet und das Unternehmen die Anteile zurückerwirbt - sei es, weil die Anteile nach den maßgeblichen Vesting-Regeln noch nicht unverfallbar sind, oder weil die Beteiligungsvereinbarung dem Unternehmen für diesen Fall eine Call-Option zu einem bestimmten Preis einräumt. Für die Besteuerung wird nur die tatsächlich an den / die Mitarbeiter:in gezahlte Vergütung herangezogen werden.
3. Nicht umgesetzte Maßnahmen im Zusammenhang mit der Änderung des § 19a EStG
3.1. Streichung der Konzernklausel
Die Begünstigung nach § 19a EStG wird auch in der Neufassung der Regelung nicht für Fälle eröffnet, in denen die Anteile nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von verbundenen Unternehmen gewährt werden. Diese Konstellation war noch im Referentenentwurf enthalten und wurde erst kurz vor den abschließenden Beratungen im Bundestag durch den Finanzausschuss gestrichen. Durch die Streichung der Konzernklausel wird die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit der Vorschrift auf Anteile an verbundenen Unternehmen, was dem Wortlaut und der herrschenden Meinung in der Literatur entspräche, weiter verstärkt.
Eine klarstellende gesetzliche Regelung zur Anwendung auf verbundene Unternehmen im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG hätte die Attraktivität der Regelung in der Praxis deutlich erhöhen können, um so z.B. die Beteiligung von Mitarbeiter:innen einer inländischen Tochtergesellschaft an einer ausländischen Muttergesellschaft zu begünstigen.
3.2. Kein Besteuerungsaufschub durch Pauschalbesteuerung
Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Möglichkeit der Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % und der Übernahme der Haftung für die bei der Veräußerung der Beteiligung entstehende Steuer durch den Arbeitgeber wurde bereits im überarbeiteten Referentenentwurf vom August 2023 gestrichen.
4. Weitere Änderungen im Zusammenhang mit Mitarbeiterkapitalbeteiligungen
Darüber hinaus wird der steuerfreie Höchstbetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen pro Jahr in § 3 Nr. 39 EStG von derzeit 1.440 Euro auf 2.000 Euro angehoben. Ursprünglich war eine Anhebung auf 5.000 Euro vorgesehen. Die Inanspruchnahme des Freibetrags setzt nicht voraus, dass die Beteiligung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird (sog. Zusätzlichkeitserfordernis) und ist daher auch bei Beteiligungserwerb durch Entgeltumwandlung möglich.