Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (Verordnung (EU) 2019/2088, „SFDR“) verpflichtet Finanzmarktteilnehmer, mithin auch VC- und PE-Fondsmanager, bestimmte ESG-bezogene Informationen auf ihrer Webseite, in vorvertraglichen Dokumenten sowie in regelmäßigen Berichten offenzulegen. Zentral für die Umsetzung der SFDR sind die technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, „RTS“), die die SFDR auf zweiter Regelungsebene konkretisieren und umfassende Vorgaben sowie Vorlagen zur Art und Weise der Offenlegungen enthalten.
Bislang lagen die RTS lediglich in verschiedenen Entwurfsfassungen vor. Als solche wurden sie zwar seit 2021 auf Grund einer entsprechenden Empfehlung (1) der Europäischen Aufsichtsbehörden („ESAs“) von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) zur Auslegung der SFDR herangezogen, waren jedoch weder final noch verbindlich. Am 6. April 2022 hat nun die Europäische Kommission die RTS angenommen. Zwar existiert ein dreimonatiges Vetorecht für das Europäische Parlament wie auch den Europäischen Rat gegen die jetzige Fassung der konkretisierenden Vorschriften. Da dieses die RTS jedoch in Gänze ablehnen und einen erneuten Entwurfsprozess nach sich ziehen würde, ist mit einer Ausübung kaum zu rechnen. Insofern dürfte es bei der nun verabschiedeten Fassung bleiben, die dann ab 1. Januar 2023 gelten wird.
Doch auch in dieser Fassung der RTS bleiben zahlreiche praktische Fragen unbeantwortet. Insbesondere der Themenkomplex rund um die sogenannten principal adverse impacts („PAI“) und das dazugehörige Statement nach Art. 4 SFDR („PAI-Statement“) stellt Finanzmarktteilnehmer mitunter vor erhebliche Schwierigkeiten. Dieses YPOG Briefing befasst sich daher schwerpunktmäßig mit dem PAI-Statement und den sich aus den RTS ergebenden Änderungen.
Grundsätze des Art. 4 SFDR – comply or explain?
Seit dem 10. März 2021 sind Fondsmanager verpflichtet, auf ihrer Webseite offenzulegen, ob sie PAIs, also nachteilige Auswirkungen ihrer Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren, berücksichtigen oder nicht. Nachhaltigkeitsfaktoren sind Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die SFDR gibt Fondsmanagern dabei zwei mögliche Antwortoptionen vor: Im Falle einer Berücksichtigung der Auswirkungen („Comply-Ansatz“) müssen sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren künftig mithilfe von vorgegebenen Indikatoren offenlegen. Diese sind, zusammen mit weiteren formalen Anforderungen, festgelegt in Tabelle 1 bis 3 des Annex I der RTS („Annex I“). Im Falle einer Nicht-Berücksichtigung („Explain-Ansatz“) müssen sie erläutern, weshalb sie sämtliche nachteiligen Auswirkungen ihrer Investitionsentscheidungen nicht berücksichtigen.
In der Entscheidung sind die Fondsmanager grundsätzlich frei. Während in der Vergangenheit Unklarheit herrschte, ob die Einstufung eines Fonds als Impact-Produkt nach Art. 9 SFDR oder möglicherweise sogar die als „einfaches“ ESG-Produkt nach Art. 8 SFDR zwangsläufig die Berücksichtigung (Comply-Ansatz) der Auswirkungen voraussetze, ist dies seit Oktober 2021 geklärt: Die damals veröffentlichten und in dieser Hinsicht seitdem auch nicht geänderten Vorlagen für produktbezogene Offenlegungen erlauben es Fondsmanagern beider Kategorien, anzugeben, PAI nicht zu berücksichtigen (Explain-Ansatz). Für Impact-Produkte nach Art. 9 SFDR ist dies freilich eine theoretische Antwortoption, finden doch ein Großteil der Nachhaltigkeitsindikatoren aus anderen Gründen in diesen Fällen Berücksichtigung (s.u.). Relevant ist in dem Zusammenhang auch, dass die Wahlfreiheit nur in eine Richtung gilt: Die Einordnung eines Produkts nach Art. 8 SFDR hat nicht zwangsläufig zur Folge, dass PAI berücksichtigt werden müssen. Berücksichtigt ein Fonds allerdings PAI, so ist dies ein ökologisches oder soziales Merkmal, welches zu einer Produktqualifizierung nach Art. 8 SFDR führt (2).
Was bedeutet eine Entscheidung für den Comply-Ansatz?
Derzeit umfasst das PAI-Statement nur die Informationen, die nach Art. 4 SFDR offenzulegen sind. Erst ab Anwendungsbeginn der RTS am 1. Januar 2023 ist das in Annex I vorgegebene Format inklusive der Offenlegung der dort niedergelegten Indikatoren verpflichtend. In dieser Form müssen PAI-Statements dann immer zum 30. Juni eines Jahres veröffentlicht werden, wobei sie sich stets auf den Referenzzeitraum des vorherigen Jahres beziehen. Das erste PAI-Statement ist zum 30. Juni 2023 offenzulegen und betrifft damit das Kalenderjahr 2022 (3).
Neben den in Tabelle 1 des Annex I enthaltenen 14 verpflichtend zu erhebenden Nachhaltigkeitsindikatoren (u.a. CO² Fußabdruck, THG-Emissionen, Emissionen in Wasser, Anteil gefährlicher und radioaktiver Abfälle, Geschlechtervielfalt in den Leitungs- und Kontrollorganen etc.) haben Fondsmanager zusätzlich noch mindestens einen weiteren klima- oder umweltbezogenen Indikator sowie mindestens einen Indikator aus dem Bereich Soziales, Arbeitnehmer, Menschenrechte, Korruptionsbekämpfung oder Bestechung auszuwählen, sodass insgesamt zu mindestens 16 Indikatoren berichtet wird.
Um Veränderungen in der Portfoliozusammensetzung angemessen abzubilden, sind die Indikatoren quartalsmäßig jeweils zum 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember abzufragen und im PAI-Statement als Durchschnitt aus den erhobenen Daten darzustellen, wobei auch ein Vergleich mit den Daten aus bis zu fünf vergangenen Zeiträumen aufzunehmen ist (4). Ergänzt worden ist in der finalen Fassung der RTS, dass Fondsmanager nunmehr neben den ergriffenen Maßnahmen für jeden Indikator auch geplante Maßnahmen und gesetzte Ziele für den kommenden Referenzzeitraum angeben müssen. Werden die für die Messung erforderlichen Daten nicht von den Portfoliogesellschaften zur Verfügung gestellt, so sind sie durch eigenständige Nachforschungen, in Zusammenarbeit mit externen Sachverständigen oder Datenanbietern oder durch angemessene Schätzungen zu ergänzen, was entsprechend offenzulegen ist (Art. 7 Abs. 2 RTS). Ein Fondsmanager hat jeweils nur eine Tabelle als PAI-Statement zu veröffentlichen, die dann die aggregierten Daten aller Investitionen aller Fonds des Managers enthält..
Offenlegungskanäle und Art der Darstellung
Die Vorgaben zu Format und Inhalten des PAI-Statements, die sich aus Annex I ergeben, gelten zunächst nur für die Offenlegungen auf der Webseite eines Fondsmanagers. Daneben ist ab dem 30. Dezember 2022 auch in den vorvertraglichen Informationen und ab 1. Januar 2023 in den regelmäßigen Berichten eine Aussage zu den PAI zu treffen.
Ob diese Offenlegungen dieselben formalen und inhaltlichen Kriterien abdecken müssen, mithin im Tabellenformat des Annex I und unter Offenlegung der Indikatoren zu erfolgen haben, ist nicht eindeutig – die besseren Argumente sprechen unser Ansicht nach dagegen. So sehen etwa die Vorlagen für die vorvertraglichen Informationen nur vor, dass Fondsmanager klar und begründet erläutern, ob und – wenn ja – wie für den jeweiligen Fonds PAI berücksichtigt werden, ohne dass auf die Indikatoren und die weiteren Details Bezug genommen wird. In den gemäß Art. 11 Abs. 2 SFDR (analog) offenzulegenden Jahresberichten wiederum ist laut Vorlage (nur) zu ergänzen, wie der jeweilige Fonds PAI berücksichtigt hat – ebenfalls ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Tabelle in Annex I.
SFDR Besonderheiten im Statement nach Art. 4 SFDRR
Trotz der oben dargelegten Vorgaben zum PAI-Statement existieren in diesem Zusammenhang eine Reihe von Variablen, deren Handhabung nicht in allen Fällen durch SFDR und RTS geklärt wird.
Auf die praktische Frage, welche Erhebungsstichtage Fondsmanager wählen müssen, wenn sie ihre Tätigkeiten unterjährig aufnehmen und damit nicht zum Referenzzeitraum eines vollen Jahres berichten können, liefert Art. 3 Abs. 3 RTS noch eine Antwort: In diesem Fall wird für das erste PAI-Statement den Referenzzeitraum neu bestimmt, und zwar als die Zeitspanne vom unterjährigen Beginn der Berücksichtigung, mithin der Erhebung der relevanten Daten, bis zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres. Betroffene Fondsmanager tragen die Daten dann ebenfalls quartalsmäßig zusammen, gegebenenfalls aber an weniger als vier Stichtagen im Jahr.
Unklar ist aber beispielsweise, ob die entsprechende Passage auch bedeutet, dass ein Fondsmanager seine grundsätzliche Entscheidung für den Explain-Ansatz zum Comply-Ansatz ändern kann, mit der Konsequenz, dass in diesem Fall ebenfalls ab Stichtag ein verkürzter erster Referenzzeitraum gilt. Dies ist insbesondere für solche Fondsmanager relevant, die auf Grund rechtlicher und praktischer Unsicherheiten bei Geltungsbeginn der SFDR den Explain-Ansatz gewählt haben, diese Entscheidung nun angesichts steigender Erfahrungswerte im Markt und zunehmender Rechtssicherheit jedoch überdenken. Ausdrücklich eingeräumt wird eine solche Möglichkeit in der SFDR und den RTS nicht, gleichzeitig schließt die SFDR eine Re-Evaluation auch nicht aus. Zudem dürfte einem Wechsel vom Explain-Ansatz auf den Comply-Ansatz auch bereits deshalb nichts entgegenstehen, da das Engagement des Fondmanagers im Bereich ESG dadurch gesteigert wird und er einen höheren Beitrag zum Übergang in einen nachhaltigen europäischen Finanzmarkt leistet, was wohl kaum im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Intention oder der Aufsichtspraxis der BaFin stehen dürfte.
Eben dieses Argument gilt natürlich nicht für den umgekehrten Fall, also die Frage, ob vom Comply-Ansatz auf den Explain-Ansatz gewechselt werden kann. Doch auch diese Konstellation ist nicht explizit ausgeschlossen. Problematisch könnte sie allerdings insoweit sein, als der Fondsmanager seine ursprüngliche Entscheidung oftmals bereits auf der Webseite oder in vorvertraglichen Dokumenten kommuniziert und so möglicherweise einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, an dem er sich messen lassen muss.
Nicht abschließend geklärt ist derzeit die Frage, ob ein Fondsmanager ein „gespaltenes“ PAI-Statement abgeben kann, es also möglich ist, hinsichtlich einiger Produkte die nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen und hinsichtlich anderer nicht (5). Dass eine irgendwie geartete Aufteilung nicht gänzlich ausgeschlossen ist, legt bereits der Wortlaut der SFDR nahe: Während sich die PAI-Vorschriften für das Webseiten-Statement auf den Fondsmanager beziehen, gelten die zu den vorvertraglichen Informationen lediglich für das jeweilige Produkt (&). Aufgenommen wird diese Unterscheidung in Manager- und Produktebene auch in den Vorlagen für vorvertragliche Informationen und regelmäßige Berichte, in denen nach der Berücksichtigung von PAI durch das jeweilige Produkt, nicht jedoch den Manager gefragt wird. Zuletzt spricht auch der Umstand, dass einzelne Fonds nur deshalb als Produkte nach Art. 8 SFDR zu qualifizieren sein können, weil sie PAI berücksichtigen, dafür, dass ein produkt-spezifisches PAI-Statement losgelöst von der Entscheidung des Managers möglich sein muss. Jedenfalls in Fällen, in denen auf Ebene des Fondsmanagers der Explain-Ansatz gewählt wurde, dürfte also der Comply-Ansatz für einzelne Produkte gewählt werden können (7).
Nachhaltigkeitsindikatoren und Do No Significant Harm
Von Belang sind die im PAI-Statement verwendeten Nachhaltigkeitsindikatoren zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Grundsatz des sog. do no significant harm („DNSH“), also der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen. DNSH ist Bestandteil der Definition von nachhaltigen Investitionen im Sinne des Art. 2 Nr. 17 SFDR. Produkte nach Art. 9 SFDR sowie solche nach Art. 8 SFDR, die auch nachhaltige Investitionen tätigen wollen, müssen sich daher im Rahmen ihrer vorvertraglichen Informationen und ihrer periodischen Berichte zu DNSH erklären, mithin erläutern, wie die nachhaltigen Investitionen zu einem Nachhaltigkeitsziel beigetragen und dabei keines der anderen Nachhaltigkeitsziele wesentlich beeinträchtigt haben. Wie genau die Erfüllung von DNSH zu messen ist, ist derzeit noch offen.
Der SFDR lässt sich entnehmen, dass die Einzelheiten von DNSH in Inhalt, Methoden und Darstellung den Nachhaltigkeitsindikatoren des Annex I entsprechen sollen (8). Dabei sind gemäß RTS insbesondere die verpflichtenden Indikatoren aus Tabelle 1 zu berücksichtigen. Für Fonds nach Art. 9 SFDR besteht insofern nur theoretisch die oben beschriebene Möglichkeit, den Explain-Ansatz zu verfolgen, haben sie doch die Indikatoren für die Einordnung ihrer Investitionen als nachhaltig ohnehin zu erheben. Zusätzlich sollen für die Bestimmung von DNSH die weiteren Indikatoren aus Tabelle 2 und 3 des Annex I soweit relevant berücksichtigt werden. Das Urteil über die Relevanz fällt der Fondsmanager nach derzeitigem Erkenntnisstand eigenständig.
Hinzu kommt für die Bestimmung von DNSH die Berücksichtigung des Mindestschutzes nach Art. 18 der Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852, „Taxonomie“)(9). Bei diesem Mindestschutz handelt es sich um Verfahren, die durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die OECD-Leitsätze und die Leitprinzipien der UN befolgt werden. Trotz der Verschränkung mit der Taxonomie ist zu berücksichtigen, dass DNSH, wie es in der SFDR verwendet wird, zu unterscheiden ist von significant harm to environmental objectives gemäß Art. 3 lit. b), Art. 17 der Taxonomie. Folglich existiert auch keine Ausnahme von der DNSH-Prüfpflicht für Taxonomie-aligned Investitionen, sodass auch für solche eine separate Bewertung nach den DNSH-Grundsätzen der SFDR durchgeführt werden muss.
Das YPOG ESG-Team wird über weitere Entwicklungen berichten und steht für Fragen und einen weitergehenden Austausch gerne zur Verfügung, insbesondere vor dem Hintergrund der kürzlichen Einladung durch die Europäische Kommission an die Europäischen Aufsichtsbehörden, die RTS noch einmal anzupassen und insbesondere die Anforderungen an das PAI-Statement zu ändern. Es bleibt spannend – scheint als wäre dies nicht unser letztes Client Briefing zu PAI.
(1) Vgl. ESA, JC 2022, 12 24, Rn. 12..
(2) So etwa EG 10 RTS.
(3) Art. 4 Abs. 1 RTS sowie EG 40 RTS; ESA, JC 2022, 12 24, Annex Rn. 2.
(4) EG 5 RTS; Art. 6 Abs. 3 RTS; Art. 10 RTS.
(5) Vgl. Frage Nr. 1, ESA, JC 2022 26.
(6) Art. 4 Abs. 1 SFDR sowie Art. 7 SFDR; vgl. auch die entsprechende Unterscheidung in der Übersicht zu den Geltungszeiträumen in ESA, JC 2022, 12 24.
(7) Vgl. die unterschiedlichen Bezugssubjekte in Art. 7 SFDR.
(8) Art. 2a Abs. 1 SFDR; EG 10 RTS..
(9) EG 22 RTS; S. 5 RTS.