Zu Beginn unserer Serie von Briefings zu den Gesetzespaketen, die das Bundesministerium der Finanzen im Juli vorgelegt hat, stellen wir in diesem Briefing den Vorschlag einer Neuregelung der Thesaurierungsbesteuerung gem. § 34a Einkommensteuergesetz (EStG) vor.
Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz und Wachstumschancengesetz
Das Bundesministerium der Finanzen hat im Juli zwei umfangreiche Gesetzentwürfe vorgelegt, die zahlreiche Neuregelungen sowie Anpassungen bestehender Regelungen in den unterschiedlichsten Themenbereichen enthalten.
In einer Serie thematisch gegliederter Briefings informieren wir in den kommenden Tagen und Wochen über die wesentlichen Inhalte der Regelungsentwürfe und geben einen Ausblick auf Chancen und Herausforderungen, die die Neuregelungen für Steuerpflichtige mit sich bringen.
Der Entwurf des Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes enthält Regelungen zur Umsetzung der EU-Richtline zur globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen, basierend auf den Vorschlägen zu Säule 2 des BEPS-Projekts der OECD. Im Zusammenhang mit der Einführung der globalen Mindestbesteuerung sieht der Gesetzentwurf auch Änderungen an bestehenden steuerlichen Normen vor, insbesondere soll eine niedrige Besteuerung für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz künftig erst bei einer Steuerbelastung von weniger als 15% (statt bisher 25%) vorliegen. Das entspricht einer langjährigen Forderung der Praxis und dürfte erhebliche Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung haben.
Der Entwurf des Wachstumschancengesetzes enthält eine Vielzahl nur teilweise zusammenhängender Neuregelungen und Änderungen. So sollen eine Klimaschutz-Investitionsprämie, eine Zinshöhenschranke für grenzüberschreitende Darlehen im Konzernverbund sowie Mitteilungspflichten bei innerstaatlichen Steuergestaltungen eingeführt werden. Außerdem sollen die Möglichkeiten des Verlustrücktrags erweitert, die steuer(verfahrens)rechtliche Behandlung von Personengesellschaften neu geregelt, die Thesaurierungsbesteuerung überarbeitet und die Option zur Körperschafsbesteuerung für Personengesellschaften modifiziert werden.
Neuregelung der Thesaurierungsbesteuerung gem. § 34a EStG
Der vorliegende Referentenentwurf des Wachstumschancengesetzes sieht Anpassungen des § 34a EStG im Bereich der Thesaurierungsbegünstigung vor. Die nachfolgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die geplanten Änderungen und beleuchtet die Auswirkungen für betroffene Steuerpflichtige.
1. Hintergrund
§ 34a EStG ermöglicht Einzelunternehmern und Gesellschaftern von Personengesellschaften eine steuerliche Begünstigung von Gewinnen in Anspruch zu nehmen, solange diese im Unternehmen verbleiben.
Ziel der Regelung ist es, die Besteuerung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften derjenigen von Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern anzunähern und die Reinvestition von Gewinnen in das Unternehmen zu fördern.
Aktuell werden derartige „thesaurierte“ Gewinne auf Antrag zunächst mit lediglich 28,25 % Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag besteuert. Erst wenn der Gewinn später entnommen wird, fällt weitere Einkommensteuer in Höhe von 25% zzgl. Solidaritätszuschlag an. Hierdurch ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung, die regelmäßig höher liegt als bei sofortiger Versteuerung des Gewinns. Die Regelung bewirkt mithin nur einen Besteuerungsaufschub, der sich allerdings (in Abhängigkeit von persönlichem Steuersatz, Gewerbesteuer-Hebesatz, Thesaurierungsdauer und anzunehmendem Zinssatz) durch den Zinseffekt rentieren kann.
Die Regelung ist komplex in der Anwendung, zudem wird die Begünstigungswirkung an zentralen Punkten eingeschränkt bzw. mit engen Voraussetzungen versehen. Die Begünstigung wurde daher in der Praxis bisher nur sehr zurückhaltend in Anspruch genommen.
2. Geplante Änderungen des § 34a EStG
Das Wachstumschancengesetz sieht ab dem Veranlagungszeitraum 2025 vor, dieses System mit mehreren Änderungen attraktiver zu gestalten. Die Neuregelungen sollen die Thesaurierungsbegünstigung auch für Unternehmer attraktiv machen, die nicht dem Spitzensteuersatz unterliegen.
Um die Begünstigungswirkung zu verstärken, soll das Thesaurierungsvolumen um Entnahmen für Steuerzahlungen sowie die gezahlte Gewerbesteuer erhöht werden. Zum Zwecke der administrativen Erleichterung soll dies ohne konkreten Verwendungsnachweis möglich sein.
Weiterhin soll die Verwendungsreihenfolge verbessert werden, indem steuerfreie und tarifbesteuerte Gewinne, die nach dem 31. Dezember 2023 im Unternehmen belassen wurden, vorrangig entnommen werden können. Dieses neue Entnahmevolumen (sog. Altrücklagen) kann aufgebaut werden und führt zu einem späteren Nachversteuerungstermin. Die Idee ist, dass Unternehmer auf diesem Wege ihre Eigenkapitalbildung erleichtern und wirtschaftliches Wachstum fördern können.
Zudem soll die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG durch die Aufhebung des § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG bereits für die Festsetzung der Höhe der Vorauszahlungen berücksichtigt werden können.
3. Auswirkungen für Unternehmen
Die geplanten Änderungen des § 34a EStG im Rahmen des Wachstumschancengesetzes stellen eine wichtige Weiterentwicklung im Bereich der Unternehmensbesteuerung dar.
Die Kritik an der aktuellen Regelung, dass die Nachversteuerung von nicht entnommenen Gewinnen mit 25% Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag erfolgt und somit in der Gesamtbetrachtung stets der Spitzensteuersatz zur Anwendung kommt, bleibt bestehen. Hierdurch wird der Anreiz zur Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung voraussichtlich nicht signifikant gesteigert. Angesichts der aktuell steigenden Zinsen und der damit verbundenen Opportunitätskosten könnte sie aber nach einer individuellen Prüfung für einige Unternehmer interessanter werden.
Abschließend lässt sich festhalten, dass der vom Gesetzgeber gesetzte Impuls ein guter Anfang ist, eine erste Einschätzung jedoch darauf hindeutet, dass die Auswirkungen nicht so bedeutend sein werden, wie erhofft.