Steuerliche Erleichterungen und verbleibende Hürden
Mitte April haben das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium den Referentenentwurf für ein sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz („ZuFinG“) vorgelegt, mit dem u.a. die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Startups verbessert werden sollen.
Damit reagiert die Bundesregierung auf die anhaltende Kritik zur aktuellen Regelung des § 19a EStG, die insbesondere die Beteiligung an Start-ups betrifft. Kritikpunkte sind vor allem der enge Anwendungsbereich und das Nachsteuerregime – letztlich wird die bestehende dry-income-Problematik nicht hinreichend gelöst.
Diese Punkte greift der Referentenentwurf auf und sieht insbesondere folgende Verbesserungen vor:
Keine Änderungen sind hingegen im Gesellschaftsrecht vorgesehen. Die insoweit bestehenden Limitationen (insbesondere: Beschränkung von Gesellschafterrechten) bestehen daher fort und dürften einen breitflächigen Einsatz weiterhin erschweren.
Die vorgeschlagenen steuerlichen Neuregelungen sind uneingeschränkt zu begrüßen. Sie führen zu international wettbewerbsfähigen steuerlichen Rahmenbedingungen. Damit der erhoffte Durchbruch für international konkurrenzfähige Beteiligungsprogramme – vor allem auch bei frühphasigen Startups – gelingen kann, müsste aber im Gesellschaftsrecht nachgelegt werden. Offen bleibt naturgemäß, wie sich der Referentenentwurf im Gesetzgebungsverfahren „weiterentwickeln“ wird.
§ 19a EStG setzt voraus, dass das Unternehmen des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung bestimmte (KMU-)Schwellenwerte nicht überschreitet. Diese Parameter sollen verdoppelt werden, damit auch größere Unternehmen unter § 19a EStG fallen können:
Auch der zeitliche Bezugsrahmen soll erweitert werden:
In Zukunft sollen zudem weitere Fallkonstellationen von § 19a EStG erfasst werden, die bisher nicht oder nicht ausdrücklich von der Norm abgedeckt waren, nämlich Fälle,
Hintergrund ist zum einen, dass Anteile am Unternehmen des Arbeitgebers, die an Mitarbeiter übertragen werden sollen, in der Praxis häufig von schon beteiligten Gesellschaften, z.B. den Gründern, gehalten werden. Zum anderen sollen auch Konzernkonstellationen erfasst werden, die gerade bei international agierenden Start-ups und regulierten Unternehmen die Regel sind.
Die dry-income-Problematik in § 19a EStG, also das Risiko einer (Lohn-)Besteuerung auf Basis von Anteilswerten (Sachbezug) ohne entsprechenden Liquiditätszufluss beim Mitarbeiter, soll in dreierlei Hinsicht entschärft werden:
Erstens soll die sog. Long-Stop-Besteuerung erst nach 20 Jahren eintreten (bisher: zwölf Jahre). Long-Stop bedeutet, dass die (Lohn-)Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Vermögensbeteiligung spätestens durch Zeitablauf erfolgt, sollte bis dahin kein anderer Besteuerungstatbestand ausgelöst worden sein.
Diese Verschiebung des finalen Besteuerungszeitpunkts soll nach dem Entwurf auch für Vermögensbeteiligungen gelten, die unter der bestehenden Rechtslage übertragen worden sind.
Zweitens sieht der Referentenentwurf vor, dass die Besteuerung, die nach aktueller Rechtslage durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder durch den Long-Stop (siehe zuvor) ausgelöst wird und damit zur Besteuerung von dry income führt, unter bestimmten Voraussetzungen unterbleibt und weiter in die Zukunft verlagert wird, d.h. regelmäßig bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mitarbeiter über die Beteiligung verfügt, also diese z.B. im Rahmen eines Exits verkauft.
Voraussetzung dieses weiteren Besteuerungsaufschubs ist, dass der Arbeitgeber spätestens im Rahmen der auf den Ablauf der 20 Jahre bzw. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Lohnsteueranmeldung unwiderruflich erklärt, für die „eigentlich“ entstehende Lohnsteuer zu haften. Eine haftungsbefreiende Anzeige des Arbeitgebers, wie sie das Lohnsteuerrecht sonst vorsieht, ist dann nicht mehr möglich. Auf Basis der Erklärung des Arbeitgebers soll das Finanzamt den Sachverhalt prüfen können (z.B. im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung) und den Arbeitgeber ohne weitere Ermessensprüfung in Anspruch nehmen können, wenn ein Besteuerungstatbestand eintritt.
Damit soll der Praxis eine Handlungsoption an die Hand gegeben werden, um die Besteuerung von dry income zu vermeiden. Typisches Beispiel ist, dass der Arbeitnehmer das Unternehmen verlässt (Beendigung des Arbeitsverhältnisses), die Beteiligung aber (zumindest teilweise) behalten darf. Übernimmt der Arbeitgeber in dieser Situation die Haftung für die (erst zukünftig entstehende) Steuer, wird zum Austrittszeitpunkt kein Besteuerungstatbestand ausgelöst, sondern erst, wenn der (ehemalige) Arbeitnehmer die Beteiligung tatsächlich veräußert. Die Haftung des Arbeitgebers sichert den Steueranspruch des Fiskus, vor allem in Fällen, in denen der Arbeitnehmer bei Veräußerung ins Ausland verzogen ist.
Drittens soll bei sog. Leaver-Fällen sichergestellt werden, dass als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nur die tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütung maßgeblich ist. Damit sind Leaver-Fälle, in denen der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt und das Unternehmen die Anteile zurückerwirbt – entweder weil die Anteile nach den maßgeblichen Vesting-Regelungen noch nicht erdient sind oder weil die Beteiligungsvereinbarung dem Unternehmen für solche Fälle eine Call-Option zu einem bestimmten Preis einräumt. Für die Besteuerung soll dann nur auf die tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütung abgestellt werden. Dies soll der Praxis mehr Planungssicherheit bieten.
Schließlich soll nach dem Referentenentwurf die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% für alle Nachversteuerungstatbestände des § 19a EStG (Veräußerung, Ablauf von 20 Jahren, Beendigung des Dienstverhältnisses) eingeführt werden.
Nach geltender Rechtslage ist die Besteuerung stets mit dem persönlichen Steuersatz bzw. anhand der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale (Steuerklasse, Freibeträge etc.) durchzuführen.
Wird die Pauschalbesteuerung entsprechend dem Referentenentwurf gewählt, hat grundsätzlich der Arbeitgeber als Steuerschuldner die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen, kann sie aber auf den Arbeitnehmer abwälzen. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben dann bei der Veranlagung zur Einkommensteuer außer Ansatz. Es bleibt also – gleichsam der Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte – bei einer finalen Steuerbelastung von 25%, wobei eine Günstigerprüfung für den Fall, dass der individuelle Steuersatz niedriger ist, nicht vorgesehen ist. Die sog. Fünftel-Regelung zur Linderung der Progressionseffekte bei außerordentlichen Einkünften findet dann konsequenterweise keine Anwendung.
Auch wenn der Arbeitgeber zu einem früheren Zeitpunkt die Haftungsübernahme erklärt hat und daher die Besteuerung weiter aufgeschoben wurde (also bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder bei Eintritt der Long-Stop-Besteuerung), soll die Pauschbesteuerung mit 25% weiterhin möglich sein.
Im Ergebnis wird damit erreicht, dass die Besteuerung des geldwerten Vorteils auch im Hinblick auf den Steuersatz mit Kapitaleinkünften gleichgestellt wird. Systematisch lässt sich dies auch damit rechtfertigen, dass die Ausgabe der Anteile auf Ebene des Startups nicht zum Betriebsausgabenabzug führen dürfte und damit dessen zu versteuerndes Einkommen nicht mindern, wie das sonst bei der Zahlung von Arbeitslohn der Fall wäre.