Grenzüberschreitende Umwandlungen - Neuer Rechtsrahmen tritt in Kraft
Am 28. Februar 2023 wurde das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze („UmRUG“) verkündet und trat damit am 1. März 2023 in Kraft. Das UmRUG schafft erstmals einen gesetzlichen Rahmen für die grenzüberschreitende Spaltung und den grenzüberschreitenden Formwechsel für deutsche Kapitalgesellschaften (namentlich für die AG, die SE, die KGaA und die GmbH) und erleichtert damit grenzüberschreitende Transaktionen und konzerninterne Umstrukturierungen über die Grenze hinweg.
Weiterhin adressiert das UmRUG weitere zentrale Regelungsanliegen grenzüberschreitender Transaktionen: Zusammenarbeit der Handelsregister der beteiligten Länder über die Grenze hinweg, Schutz der Gläubiger und der Anteilsinhaber, die künftig an einer Gesellschaft ausländischen Rechts beteiligt wären. Das UmRUG reformiert dabei nicht nur grenzüberschreitende Umwandlungen, sondern ändert und vereinheitlicht auch teilweise die für nationale Umwandlungen geltenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes.
Die Änderungen auf einen Blick
Zentral sind insbesondere folgende Neuerungen:
- Erstmals neu eingeführt durch das UmRUG werden Regelungen für grenzüberschreitende Spaltungen (künftig §§ 320 ff. UmwG) und für den grenzüberschreitenden Formwechsel (künftig §§ 333 ff. UmwG).
- Bei grenzüberschreitenden sowie bei innerstaatlichen Umwandlungen werden die Rechte der Anteilsinhaber vereinheitlicht. Sowohl den Anteilsinhabern übertragender als auch den Anteilsinhabern übernehmender Gesellschaften steht künftig das Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses zur Verfügung.
- AG, KGaA und SE erhalten die Möglichkeit, erforderliche Anpassungen der Wertverhältnisse liquiditätsschonend durch zusätzliche Aktien vorzunehmen.
- In Abweichung zum nachgelagerten Gläubigerschutz bei innerstaatlichen Umwandlungen gilt für grenzüberschreitende Umwandlungen, bei denen deutsche Gesellschaften als übertragende Gesellschaft beteiligt sind, künftig ein vorgezogener Gläubigerschutz. Dies beeinflusst die Umsetzungsdauer grenzüberschreitender Umwandlungsmaßnahmen und ist bei der Transaktionsplanung zu berücksichtigen.
- Für die Registergerichte gilt fortan bei Umwandlungen von Kapitalgesellschaften ein europaweit einheitliches kompatibles Verfahren der Registervernetzung für die beteiligten Registergerichte. Weiterhin nehmen die Registergerichte u.a. durch die sogenannte Missbrauchskontrolle künftig eine größere Rolle bei grenzüberschreitenden Umwandlungen ein.
Vereinheitlichung Schutz der Anteilsinhaber
Sowohl bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Spaltungen als auch bei grenzüberschreitenden Formwechseln besteht mit Wirksamwerden des UmRUG ein Recht der Anteilsinhaber, die gegen die Umwandlung gestimmt haben, gegen Barabfindung aus der übertragenden Gesellschaft auszuscheiden. Im Gegensatz zur Konzeption bei inländischen Umwandlungen werden die Anteilsinhaber bei grenzüberschreitenden Umwandlungen dann nie Gesellschafter der Gesellschaft ausländischen Rechts. Die ausscheidenden Gesellschafter können innerhalb von zwei Monaten nach dem jeweils gefassten Gesellschafterbeschluss ein etwaiges Barabfindungsangebot annehmen, wobei die Gesellschafter bereits innerhalb eines Monats nach gefasstem Gesellschafterbeschluss der Gesellschaft ihre Absicht, das Barabfindungsangebot anzunehmen, mitteilen müssen. Dieses Barabfindungsangebot ist von vornherein aufschiebend auf das Wirksamwerden der grenzüberschreitenden Umwandlung bedingt.
Eine wichtige Neuerung sowohl für inländische als auch für grenzüberschreitende Verschmelzungen, einschließlich der Verschmelzung zur Gründung einer SE, und inländische und grenzüberschreitende Spaltungen ist dabei, dass die Rüge, das Umtauschverhältnis sei nicht angemessen, mit Inkrafttreten des UmRUG nicht mehr nur bei der übertragenden Gesellschaft, sondern auch bei der übernehmenden Gesellschaft nicht mehr dazu genutzt werden kann, die Wirksamkeit der Umwandlung anzufechten. Stattdessen können die Anteilsinhaber sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft nachträglich die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses in einem (kontradiktorischen) Spruchverfahren überprüfen lassen.
Eine weitere erfreuliche Neuerung ist, dass bei einer nationalen oder grenzüberschreitenden Verschmelzung oder Spaltung unter Beteiligung einer AG, KGaA oder (bestehenden) SE als übernehmende Gesellschaft, bei Gründung einer SE durch Verschmelzung und bei einem innerstaatlichen Formwechsel in eine AG oder KGaA etwaige Anpassungen des Umtauschverhältnisses künftig nicht mehr nur durch bare Zuzahlung, sondern auch liquiditätsschonend in Form zusätzlicher Aktien erfolgen können. Soll von dieser Option Gebrauch gemacht werden, ist dies bereits im Umwandlungsvertrag bzw. Umwandlungsplan zu erklären. Der Anspruch auf Gewährung zusätzlicher Aktien kann sowohl (i) durch die Übertragung eigener Aktien als auch (ii) durch neue Aktien, die durch eine Sachkapitalerhöhung (Einlage des Anspruchs auf Gewährung zusätzlicher Aktien) geschaffen werden, befriedigt werden.
Gläubigerschutz durch vorgezogene Sicherheitsleistung
Mit Inkrafttreten des UmRUG haben Gläubiger einer deutschen Gesellschaft, die an einer grenzüberschreitenden Umwandlung als übertragende Gesellschaft beteiligt ist, drei Monate Zeit ab Bekanntgabe des Verschmelzungs- Spaltungs- oder Formwechselplanes, Sicherheitsleistung bei dem Registergericht zu beantragen, das für die Ausstellung der Vorabbescheinigung zuständig ist. Die Erteilung der Vorabbescheinigung darf nicht vor Ablauf dieser drei-Monats-Frist oder – sofern ein Antrag gestellt wird – vor rechtskräftiger Ablehnung des Antrags oder entsprechender Bestellung von Sicherheiten erfolgen. Diese vorgezogene (statt nachgelagerte) Geltendmachung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung durch die Gläubiger ist künftig bei der Planung und Strukturierung des Umwandlungsprozesses zu berücksichtigen. Der Umwandlungsprozess stellt sich somit – stark vereinfacht – künftig wie folgt dar:
Einheitliches Registerverfahren und Missbrauchskontrolle
Eine Erleichterung im Registerverfahren soll die großflächige Anwendung des Europäischen Systems der Registervernetzung bringen, ein europaweit kompatibles Verfahren, bei dem die beteiligten Handelsregister digital miteinander kommunizieren. Diese Harmonisierung des grenzüberschreitenden Registervollzugs wird hoffentlich künftig das Verfahren erleichtern und beschleunigen.
Weiterhin nimmt das Registergericht fortan auch insgesamt eine größere Rolle bei grenzüberschreitenden Umwandlungen ein. Das Registergericht muss bei Vorliegen von Anhaltspunkten künftig vor Ausstellung der Umwandlungsbescheinigung etwaigen missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Gestaltungen nachgehen. Eine missbräuchliche Gestaltung soll dabei etwa dann vorliegen, wenn in Deutschland die Zahl der Arbeitnehmer bereits 4/5 des für die Unternehmensmitbestimmung maßgeblichen Zielwerts beträgt, im Zielland keine Wertschöpfung erbracht wird und der Verwaltungssitz in Deutschland verbleibt. Inwieweit diese Missbrauchskontrolle grenzüberschreitende Umwandlungsprozesse beeinflussen wird, wird sich erst in der Praxis zeigen. Sofern das zuständige Registergericht in eine Missbrauchsprüfung einsteigt, kann diese den Umwandlungsprozess um bis zu drei Monate verlängern.
Fazit
Künftig lassen sich grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel rechtssicherer umsetzen. Erfreulich ist, dass die neuen Regelungen des Umwandlungsgesetzes auch bekannte Defizite bei nationalen Umwandlungsmaßnahmen adressieren. Soweit andere EU- und EWR-Mitgliedsstaaten die Umwandlungsrichtlinie fristgerecht umgesetzt haben, können erste grenzüberschreitende Transaktionen nach dem UmRUG nun bereits umgesetzt werden.
Über uns
Steuerberater:innen, Tax Specialists sowie eine Notarin in vier Büros in Berlin, Hamburg, Köln und München tätig.