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Earn-Out


Allgemein

Bei den Verhandlungen im Rahmen eines Unternehmensverkaufs gelangen die involvierten Parteien nicht selten an einen Punkt, an dem klar wird, dass die Vorstellungen der Veräußerer und der Erwerber über den Wert des Unternehmens und damit über den zu zahlenden Kaufpreis (teilweise weit) auseinander liegen. Diese Thematik der divergierenden Wertvorstellungen gibt es insbesondere in den folgenden zwei Fällen:

  • In Zeiten einer Krise und/oder Rezension fallen, wie auch derzeit, regelmäßig die Bewertungen von Unternehmen. Aus Sicht der Veräußerer erscheint die Bewertung und der sich daraus ergebende Kaufpreis regelmäßig zu niedrig. Sie gehen oftmals von einer zukünftigen Erholung des Marktes aus, wodurch die Bewertung wieder auf ein - aus Sicht der Veräußerer - Normalniveau gehoben werden wird. Ein Erwerber hingegen möchte naturgemäß nicht auf eine „Erholung nach der Krise“ hoffen müssen und ggfs. zu viel zahlen, sondern grundsätzlich nur den Preis, den das zu erwerbende Unternehmen aus seiner Sicht im aktuellen Marktumfeld gerade wert ist.
  • Unterschiedliche Wertvorstellungen hat man typischerweise zudem bei noch recht jungen Unternehmen:
    • Ist beispielsweise ein Medikament eines jungen Pharmaunternehmens nicht zugelassen, sondern befindet sich noch in einem Vorstadium (z.B. klinische Studien), und liegt der Wert dieses Unternehmens gerade in dem späteren Verkauf dieses Medikaments, so kann bei Nichtzulassung des Medikaments der Wert des Unternehmens nur sehr gering sein (oder gar gen Null tendieren), wohingegen bei einer Zulassung der Wert enorm steigen kann.
    • Ähnlich kann es sich bei einem Tech-Unternehmen oder allgemein VC-finanzierten Wachstumsunternehmen verhalten: Nicht selten kommt es hier darauf an, ob das Unternehmen in einem bestimmten Zeitraum nach Vollzug der Transaktion bestimmte technologische Entwicklungsziele erreicht, wie die Markteinführung eines bahnbrechenden Produkts oder den Abschluss eines wichtigen Kooperationsvertrags - der Wert des Unternehmens würde durch das Erreichen solcher Meilensteine typischerweise deutlich steigen. Ganz grundsätzlich lässt sich bei VC-finanzierten Unternehmen im Zeitpunkt des Exits häufig nur schwer vorhersagen, wie sich das Unternehmen in den Folgejahren am Markt entwickelt.

In solchen und anderen Fällen der divergierenden Wertvorstellungen sich auf einen Festkaufpreis zu beschränken, ist häufig nicht zielführend, da ein solcher Festkaufpreis entweder über den Erwartungen des Erwerbers oder unter den Vorstellungen des Veräußerers liegen wird. Doch daran müssen die Verhandlungen nicht scheitern: Gerade in solchen Fällen bietet sich eine Kaufpreisgestaltung mit einem variablen Earn-Out neben dem Festkaufpreis als eine für beide Seiten „gerechte“ Lösung an. Ein weiterer, bei einem Exit aber nicht immer im Vordergrund stehender Grund für die Vereinbarung eines Earn-Outs kann auch sein, das im Unternehmen verbleibende Management (wenn gleichzeitig (Mit-)Veräußerer des Unternehmens) auch nach Vollzug des Exits weiter zu incentivieren.

 

Grundsätzliche Vor- und Nachteile

Aus Sicht des Erwerbers hat ein Earn-Out viele Vorteile. Insbesondere seien hier genannt:

  • Es ist nicht sofort der vollständige Kaufpreis zu zahlen;
  • Das Risiko, einen überhöhten Kaufpreis zu zahlen, wird reduziert;
  • Der Earn-Out Anspruch kann ggfs. als Sicherheit dienen, sofern der Erwerber später etwaige (Garantie- oder Freistellungs-)Ansprüche aus dem Kaufvertrag gegen den Veräußerer hat.

Doch auch für den Veräußerer kann ein Earn-Out Vorteile haben, da es in den meisten Fällen erst diese variable Gestaltung ist, die den Erwerber dazu bringt, einen ggfs. (deutlich) höheren Kaufpreis zu zahlen, als er es ohne solch eine variable Gestaltung bereit wäre zu tun. Veräußerer können gewissermaßen durch die Herbeiführung der Earn-Out Bedingungen nachweisen, dass ihre Wertvorstellungen richtig und realisierbar sind.

 

Als potenzieller Nachteil wird teilweise der erhöhte Verhandlungs- und ggfs. Dokumentationsaufwand gesehen. Und: Soweit bei der Vertragsgestaltung nicht sorgfältig vorgegangen wird, können unklare oder nicht sorgfältig durchdachte Regelungen zu Fehlanreizen, ggfs. unternehmerischer Inflexibilität und Lähmung und zudem hohem administrativen (Management) Aufwand bei der Bestimmung des konkreten Earn-Out Betrags führen. Insgesamt erhöht sich durch die Earn-Out Regelungen auch das Risiko von Post-M&A Streitigkeiten.

 

Ausgestaltung

Grundsätzlich ist die Entstehung des Earn-Outs bedingt auf das Erreichen eines bestimmten Umsatzvolumens oder Ergebnisses (wirtschaftliche/geschäftliche Entwicklung des Zielunternehmens) oder auf das Eintreten bestimmter Ereignisse (im obigen Beispiel: Zulassung des Medikaments); auch die Höhe des Earn-Outs kann variabel ausgestaltet sein.

Typische Gestaltungsvarianten sind:

  • Umsatz- oder EBIT(DA)-basierte Earn-Outs;
  • Meilenstein-basierte Earn-Outs (ereignisbezogen), z.B. Patent- oder Produktzulassungen, Erteilung von Genehmigungen;
  • Erreichung bestimmter Kennzahlen aus Produktion oder Absatzmengen, “Clicks” bzw. Ad Revenue (Werbeeinnahmen).

Der maßgebliche Betrachtungszeitraum beträgt typischerweise zwischen 1-3 Jahren und sollte aus Sicht des Veräußerers grundsätzlich auch nicht länger sein.

 

Weitere Verhandlungspunkte

Ist erst einmal die Basis bzw. der Bezugspunkt des Earn-Outs grundsätzlich zwischen den Parteien festgelegt, gibt es noch diverse weitere Aspekte, die im Rahmen der Verhandlungen ggfs. zu klären sind. Der Verhandlungs- und Zeitaufwand bei Transaktionen ist ohnehin etwas größer bei der Vereinbarung von Earn-Outs. Dennoch lohnt es sich gerade hier, Zeit und Mühe in die Verhandlungen und Verschriftlichung zu stecken, um späteren (vermeidbaren) Streit zu eliminieren und Fehlanreize zu vermeiden. Beispielhaft seien folgende potentielle Verhandlungspunkte genannt:

  • Adjustierung des für den Earn-Out relevanten Gewinns (insbesondere: Einbeziehung außergewöhnlicher Posten in den Nettogewinn ja/nein?);
  • Auskunftsrechte sowie Gewährung von Zugang zu Aufzeichnungen etc. für den Veräußerer und seine Wirtschaftsprüfer, um der mangelnden Transparenz für den Veräußerer bei der Ermittlung des “Auslösers” bzw. der Grundlage des Earn-Outs vorzubeugen;
  • Vereinbarungen über die Führung des Unternehmens (siehe dazu auch sogleich unter „Absicherung des Earn-Outs“);
  • Auflaufen von Zinsen auf Earn-Out-Zahlungen (Gedanke: Die Earn-Out Zahlungen sind Teil des Kaufpreises, der „eigentlich“ schon hätte bei Erwerb des Unternehmens gezahlt werden müssen).

 

Absicherung des Earn-Outs (Ringfencing)

Bei all den genannten Vorteilen eines Earn-Outs ist es dennoch, insbesondere für den Veräußerer, wichtig sicherzustellen, dass nach dem Vollzug der Verkaufstransaktion, wenn der Käufer Kontrolle über die Zielgesellschaft ausübt, die Earn-Out Ziele nicht durch die Käuferseite negativ beeinflusst werden können und der Veräußerer hinreichend Informationen über das Erreichen der Earn-Out Ziele erhält. Das gilt umso mehr, wenn sich nicht zuletzt auch aus der „Zusammenlegung“ mit dem bzw. den Unternehmen des Erwerbers Synergien ergeben, die zu einer Entwicklung führen, die das veräußerte Unternehmen allein nicht hätte erreichen können.

Ganz grundsätzlich sollten die Earn-Out Ziele so gewählt werden, dass Interessengleichlauf besteht. So sind sowohl Veräußerer als auch Erwerber regelmäßig an einem hohen EBIT(DA) interessiert. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass dieser Interessengleichlauf nicht ausgehebelt wird, z.B. durch überhöhte Investitionen im für den Earn-Out relevanten Zeitraum und damit Verschiebung von Gewinnen in Folgejahre (nach dem Earn-Out). In der Transaktionsdokumentation wird sich dieses Themenfeld regelmäßig in einem Katalog von Maßnahmen niederschlagen, die der Erwerber grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des Earn-Out Berechtigen durchführen darf. Um jedoch eine unternehmerische Inflexibilität und Lähmung zu vermeiden, sollte aus Erwerbersicht am Ende des Tages eine vom Earn-Out Berechtigten unabhängige Entscheidung möglich sein - und die sich für den Earn-Out daraus ergebenden Folgen so detailliert wie möglich geregelt sein. In der Praxis anzutreffende Spielarten sind hier beispielsweise die sofortige Fälligkeit des Earn-Out Anspruchs (häufig anzutreffen bei Fällen, in denen der Erwerber das Unternehmen im für den Earn-Out relevanten Zeitraum weiterveräußert) oder die Einigung auf eine Rechnungslegung/Berechnung in diesen Fällen, als sei die relevante Maßnahme nicht vorgenommen worden.

 

Sicherstellung der Zahlung

Zudem ist sicherzustellen, dass der Erwerber bei Erreichen der Earn-Out Ziele den zusätzlichen Kaufpreis auch tatsächlich zahlt. Liegt der Fälligkeitszeitpunkt wie bei einem Earn-Out (weit) in der Zukunft, ist insofern ggfs. - je nach Verhandlungssituation und konkreter Erwerbergesellschaft - auch für diesen Fall eine Regelung in der Transaktionsdokumentation vorzusehen, z.B. Hinterlegung eines bestimmten Betrages auf einem Treuhandkonto, Bankbürgschaft, Berücksichtigung über Kreditlinie im für den Erwerb aufgenommenen Darlehen etc.

 

Streitschlichtungsmechanismus

Mit Blick auf die Vereinbarung von Earn-Outs lässt sich eines nicht von der Hand weisen: Die Streitanfälligkeit ist hoch. Je objektiver und eindeutiger der Ereignis-Eintritt feststellbar ist, und umso kürzer der relevante Zeitraum ist, desto weniger streitanfällig ist der Earn-Out.

Insofern ist in jedem Fall ein Streitschlichtungsmechanismus in der Transaktionsdokumentation vorzusehen. Dieser könnte z.B. wie folgt aussehen (am Beispiel eines EBIT-basierten Earn-Outs):

  • Der Erwerber stellt dem Veräußerer den relevanten Jahresabschluss und die Berechnung des EBIT sowie - als Konsequenz - des konkreten Earn-Out-Betrags zur Verfügung. In der Transaktionsdokumentation sollte spezifisch festgehalten werden, nach welchen Grundsätzen der Jahresabschluss aufgestellt werden soll und wie sich das EBIT berechnet.
  • Macht der Veräußerer nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums (bspw. 30 Tage) nach Erhalt gegenüber dem Erwerber begründete Einwendungen gegen die Berechnungen geltend, werden diese zwischen den Parteien verbindlich.
  • Macht der Veräußerer hingegen innerhalb der genannten Frist begründete Einwendungen geltend, werden sich die Parteien bemühen, hierüber innerhalb einer weiteren Frist (bspw. 20 Tage) eine Einigung zu erzielen. Die Berechnungen werden insoweit, als eine Einigung zwischen den Parteien erzielt wird, verbindlich.
  • Soweit die Parteien innerhalb der Einigungsfrist keine Einigung erzielen können, entscheidet über die streitigen Punkte ein Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter. Es sollte hierbei noch geregelt werden, dass der Schiedsgutachter in seiner Entscheidung nicht außerhalb der zwischen den Parteien strittigen Betragsspanne entscheiden darf, um keine für beide Seiten völlig unerwarteten Ergebnisse zu erhalten. Die vom Schiedsgutachter innerhalb einer bestimmten Frist (bspw. 20 Tage) festgestellte Berechnung des EBIT sowie - als Konsequenz - des konkreten Earn-Out-Betrags sollte endgültig und bindend für die Parteien sein, und die Kosten für den Schiedsgutachter typischerweise nach §§ 91 ff. ZPO getragen werden (Aufteilung nach dem Umfang des Unterliegens).

 

Zusammenfassung

Beim Verkauf von Wachstumsunternehmen und insbesondere in Zeiten volatiler Bewertungen bietet sich eine Kaufpreisgestaltung mit einem variablen Earn-Out (neben einem Festkaufpreis) an, um die Bewertungsvorstellungen beider Seiten zusammenzubringen und somit den Abschluss der Transaktion ggfs. erst zu ermöglichen. Die Vereinbarung eines Earn-Outs bietet viele Vorteile, bringt aber auch Herausforderungen und Risiken mit sich (z.B. erhöhter Verhandlungs- und Dokumentationsaufwand, Streitanfälligkeit), die sorgsam gegeneinander abzuwägen sind. Es ist daher im Rahmen der Vertragsgestaltung und Verhandlung wichtig, die entsprechenden Regelungen in der Transaktionsdokumentation entsprechend detailliert und praktikabel auszugestalten.

 

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