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BaFin-Update: Konsultation zur Einflussnahme von Anlegern in Investmentvermögen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 14. März 2025 den Entwurf eines Merkblatts zum Thema der aufsichtsrechtlich zulässigen Einflussnahme von Anlegern bei Investmentvermögen zur Konsultation gestellt. 
Das Merkblatt gibt Erläuterungen, ob und in welchem Umfang die Anleger eines Investmentvermögens, zu denen auch von der BaFin beaufsichtigte Banken und Versicherer gehören können, die Anlageentscheidungen der Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) für Rechnung des Investmentvermögens beeinflussen dürfen.

Stellungnahmen zur Konsultation nimmt die BaFin bis zum 31. März 2025 entgegen.

Dieses Briefing gibt einen Überblick über wichtige Aussagen des Merkblatts und unsere Einschätzung hierzu. Da das Merkblatt derzeit konsultiert wird, können (und müssen aus unserer Sicht) sich im Zuge des weiteren Verfahrens noch Änderungen ergeben.

Wichtige Aussagen des Merkblatts

Eigenverwaltung vs. Fremdverwaltung

Die BaFin schließt von der gesetzlich verankerten Verantwortung der KVG zur Einhaltung der Regelungen des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) auf eine erforderliche „Fremdverwaltung“ des Investmentvermögens durch eine KVG. Demgegenüber wäre eine Verwaltung des Investmentvermögens durch die Anleger anstelle der KVG eine „Eigenverwaltung“, die aufsichtsrechtlich nicht zulässig sei.

Die Grenze zur unzulässigen Eigenverwaltung werde dabei überschritten, wenn eine zu bedeutsame Einflussnahme der Anleger auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen der KVG für Rechnung von Investmentvermögen erfolge.

Diese Ausführungen gelten sowohl für registrierte als auch erlaubte KVGen.

Die Verwendung des Begriffspaars Fremdverwaltung und Eigenverwaltung im Zusammenhang mit der aufsichtsrechtlichen Verantwortung für ein Investmentvermögen wurde nach unserer Wahrnehmung in der jüngeren Vergangenheit vor allem im Kontext von zwei Themenkomplexen diskutiert, die sich allerdings beide um die Auslegung des Begriffs Investmentvermögen drehen:

  • Abgrenzung AIF vs. Investmentclub: Es gibt es eine vergleichbare Diskussion bereits bei der Frage, ob ein kollektiver Anlageorganismus überhaupt als Investmentvermögen nach dem KAGB oder als nicht dem KAGB unterliegender Investmentclub einzustufen ist. Laut der European Securities and Markets Authority (ESMA) hängt die Ablehnung der Qualifikation als Investmentvermögen entscheidend davon ab, ob die Anleger als Gruppe eine laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis über operative Fragen in Bezug auf die tägliche Verwaltung der Vermögenswerte des Organismus haben. Das nun konsultierte Merkblatt der BaFin zur Einflussnahme von Anlegern in Investmentvermögen behandelt diese Abgrenzung jedoch ausdrücklich nicht, sondern befasst sich allein mit der aufsichtsrechtlichen Zulässigkeit eines Anlegereinflusses in den Investmentvermögen.
    Unseres Erachtens kann sich gleichwohl eine gewisse Wechselwirkung zwischen dem neuen Merkblatt der BaFin und der bereits bekannten Abgrenzung der ESMA zwischen Investmentvermögen und Investmentclubs ergeben. Denn in der Vergangenheit hat die BaFin für die von der ESMA vorgegebene Abgrenzung entscheidend darauf abgestellt, ob alle operativen Entscheidungen im Hinblick auf das Eingehen, Halten und Veräußern von Beteiligungen von der Gesellschafterversammlung und nicht originär von der Geschäftsführung getroffen werden. Damit wird ein Bezug zu der von der BaFin nun monierten „bedeutsamen Einflussnahme“ der Anleger auf Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen hergestellt. Inwiefern die nun neu hinzutretende Interpretation der Eigenverwaltung Einfluss auf die Abgrenzung eines Investmentclubs von einem Investmentvermögen haben wird, bleibt somit abzuwarten.
    Dessen ungeachtet kann es Konstellationen geben, in denen ein kollektiver Anlageorganismus als Investmentvermögen qualifiziert und den Anlegern dieses Investmentvermögens im Gesellschaftsvertrag des Investmentvermögens oder in Nebenvereinbarungen (Side Letter) bestimmte Einflussnahme-Möglichkeiten zugestanden werden, die nun im Lichte des neuen Merkblatts auf den Prüfstand gestellt werden müssten.
  • Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes (InvStG): Teils öffentlichkeitswirksame Aufmerksamkeit wurde der Abgrenzung Fremdverwaltung und Eigenverwaltung zudem im Steuerrecht zuteil. Hier wurde im Zuge von Ermittlungen rund um „Millionärs-Fonds“ erbittert darüber diskutiert, ob eine Fremdverwaltung bestimmendes Merkmal eines Investmentvermögens ist und damit zwingende Voraussetzung dafür, dass der Anwendungsbereich des InvStG eröffnet ist. Neue Nahrung erhielt die Diskussion durch zwei FG-Urteile, die sich mit dieser Frage und mit den Kriterien der notwendigen Fremdverwaltung befassen. Wie auch bei der aufsichtsrechtlichen Abgrenzung des Investmentclubs von einem AIF dreht sich die Diskussion um den Begriff des Investmentvermögens und wird durch den Regelungsgegenstand des Entwurfs des Merkblatts nicht direkt beeinflusst. 

Letztentscheidung durch die KVG bzw. Portfolioverwalter

Aufgrund der besonderen Bedeutung der Portfolioverwaltung für den Aufgabenbereich einer KVG betrachtet die BaFin eine Wahrnehmung der Portfolioverwaltung durch Anleger als unzulässig. Die BaFin betont dabei, dass die Erbringung der Portfolioverwaltung durch die KVG eine Grundlage für die Erteilung einer Erlaubnis nach dem KAGB sei. Damit ist die von der BaFin aufgebrachte Thematik von direkter Relevanz für den Bestand der Erlaubnis selbst.

Unter Portfolioverwaltung im Sinne des KAGB versteht die BaFin insbesondere die Anschaffung und Veräußerung von Vermögensgegenständen für Rechnung des Anlegerkollektivs und damit des Investmentvermögens. Diese Definition der BaFin lenkt das Augenmerk auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, beschränkt sich jedoch nicht hierauf.

Aus alldem folgert die BaFin, dass die Letztentscheidung darüber, welche Vermögensgegenstände für ein Investmentvermögen angeschafft oder veräußert werden, durch die KVG bzw. durch ihre (beauftragten) Portfolioverwalter zu erfolgen hat und nicht durch die Anleger. Wird diese Grenze überschritten, liege eine aufsichtsrechtlich unzulässige Einflussnahme der Anleger vor.

Diese Grenzziehung veranschaulicht die BaFin anhand folgender Beispiele:

Weisungen von Anlegern in Bezug auf Einzeltitel
Weisungen von Anlegern gegenüber der KVG bzw. Portfolioverwaltern seien unzulässig, da die Letztentscheidung insoweit nicht mehr bei der KVG bzw. den Portfolioverwaltern liege. Dies ist unseres Erachtens nachvollziehbar.

Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern
Unverständlicherweise setzt die BaFin Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Bezug auf Einzeltitel in ihrer rechtlichen Bewertung gleich und betrachtet beide Mechanismen als Ausdruck einer unzulässigen Letztentscheidungsbefugnis der Anleger.

Sollte die BaFin ihre Verwaltungspraxis künftig hieran orientieren, wäre das eine neue Entwicklung für die Fondswelt. Bislang waren nach unserer Wahrnehmung auch aus Sicht der BaFin mit Anlegern besetzte Anlageausschüsse mit Vetorechten oder Zustimmungsvorbehalten zulässig.

Die neue Verwaltungspraxis würde sich zudem in Widerspruch mit ihrer Verwaltungspraxis zum Entscheidungsspielraum für Finanzportfolioverwalter nach dem Kreditwesengesetz oder Wertpapierinstitutsgesetz setzen. Denn nach bisheriger Verwaltungspraxis für Finanzportfolioverwalter können sich Kunden eines Finanzportfolioverwalters durchaus Mitentscheidungsbefugnisse ausbedingen, sofern sich diese auf Vetorechte begrenzen. Im Fall des Vetorechts kann der Vermögensverwalter eine Anlageentscheidung rechtsverbindlich durchführen, solange und soweit der Kunde nicht ausdrücklich von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Demgegenüber wird allein der Zustimmungsvorbehalt als für den Entscheidungsspielraum des Finanzportfolioverwalters schädlich angesehen. Denn eine Anlageentscheidung könnte im Fall des Zustimmungsvorbehalts erst wirksam umgesetzt werden, nachdem der Kunde ausdrücklich zugestimmt hat.

Die derzeit konsultierte Fassung des neuen Merkblatts könnte unverständlicherweise auch zu Beschränkungen für die Mitwirkung eines Anlegergremiums (Limited Partner Advisory Committee, LPAC) führen, sofern dieses Gremium in Fällen von Interessenkonflikten über die vertragliche Zulässigkeit des Investments entscheidet. Als Gremium zur Entscheidung über Interessenkonflikte und damit als gesetzlich probates Mittel einer KVG, um den eigenen Anforderungen an das Interessenkonfliktmanagement gerecht zu werden, wäre eine solche Beschränkung weder zielführend noch rechtlich begründet.

Bei der Diskussion ist unseres Erachtens nicht aus den Augen zu verlieren, dass es ungeachtet der Mitentscheidungsbefugnisse der Anleger letztlich immer die KVG selbst ist, die eine entsprechende Anlageentscheidung treffen würde. Sollten Anleger beispielsweise ihre Zustimmung erteilen, kann die KVG die Anlageentscheidung treffen und umsetzen, ist hierzu jedoch nicht verpflichtet.

Die BaFin anerkennt aber zumindest richtigerweise, dass Vetorechte oder Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Anlageausschüssen dann zulässig seien, wenn sie sich auf die abstrakte Festlegung der Anlagestrategie im Rahmen der vertraglich vereinbarten Anlagerichtlinien beziehen, z.B. im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Spezialfonds etwa in bestimmte Wertpapiertypen, Regionen, Branchen usw. investieren können soll oder nicht. Der damit verbundene Einfluss auf die strategische Ausrichtung des Investmentvermögens belasse die Letztentscheidungsbefugnis bei der KVG bzw. dem Portfolioverwalter.

„Investmentideen“ oder „Empfehlungen“ der Anleger
Unverbindliche Investmentideen oder Empfehlungen der Anleger seien nach Auffassung der BaFin zulässig, da auch hier die Letztentscheidungshoheit der KVG bzw. des Portfolioverwalters nicht in Frage gestellt wird. Dies erscheint uns vernünftig.

Die BaFin macht aber eine wichtige Eingrenzung, indem sie verlangt, dass eine solche Idee oder Empfehlung in Wirklichkeit keine indirekte Weisung darstellen darf. Wann eine indirekte Weisung vorliegt, muss anhand der Umstände des konkreten Falles beurteilt werden: 

  • Keine eigene Recherche oder materielle Bewertung: Indizien für eine indirekte Weisung wären nach Ansicht der BaFin, wenn die KVG alle Empfehlungen der Anleger 1:1 ohne eigene Recherche oder materielle Bewertung der Chancen und Risiken des Investments oder Desinvestments ausführt und ihre Prüfung formal auf Erwerbbarkeitskriterien oder eine Anlagegrenzprüfung beschränkt. Eine solche Konstellation ist in der Praxis selten, da ein Vermögensverwalter sich durch bloße an ihn herangetragene Ideen oder Empfehlungen nicht der Haftung entziehen kann. Die Ausführungen der BaFin verstehen wir im Übrigen dahingehend, dass die KVG durchaus maßgeblich bereits erstellte Unterlagen des Anlegers aus einer Due Diligence heranziehen darf, um daraus basierend eine eigene materielle Bewertung der Chancen und Risiken vorzunehmen und gegebenenfalls weitere Unterlagen anzufragen. 
  • Keine eigene Initiative für Anlageentscheidungen: Die BaFin sieht es zudem als Indiz für eine Eigenverwaltung an, wenn die Initiative für die Anschaffung oder Veräußerung von Vermögensgegenständen selten oder nie von der KVG ausgehe, sondern im Wesentlichen und kontinuierlich von den Anlegern. Wir halten die Aussage in dieser Pauschalität für problematisch. Zum einen sind am Markt Single-Asset-AIF geläufig, bei denen eine Mitwirkung der Anleger nach Auffassung der BaFin somit – nicht überzeugend – pauschal schädlich wäre. Zum anderen ist die Initiative nicht gleichzusetzen mit der aufsichtsrechtlich maßgeblichen Investitions- und Desinvestitionsentscheidung, welche die zentrale Aufgabe der Portfolioverwaltung ist. Nur letztere bildet nach dem Verständnis der BaFin von der Portfolioverwaltung den zentralen Bestandteil der Portfolioverwaltung. In der Initiative selbst liegt auch keine „zu bedeutsame Einflussnahme“ der Anleger auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, wie sie die BaFin für die eingangs erläuterte Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenverwaltung anführt. 

Dokumentation

Die BaFin verlangt, dass die KVG und der Portfolioverwalter jede Form der Einflussnahme von Anlegern auf die Anlageentscheidungen für Rechnung von Investmentvermögen ab Veröffentlichung des Merkblatts auf der BaFin-Internetseite dokumentieren. Dadurch soll eine Nachvollziehbarkeit für die BaFin und den Abschlussprüfer erreicht werden. Gleichzeitig soll ein Problembewusstsein geschaffen und die Hemmschwelle für unzulässige Geschäfte erhöht werden.

Ungeachtet ihrer aufsichtsrechtlichen Zulässigkeit sind somit Weisungen, die Ausübung von Vetorechten und Zustimmungsvorbehalten und die Abgabe von Anlageempfehlungen oder Anlageideen von Anlegern zu dokumentieren sowie Sitzungen der Anlageausschüsse zu protokollieren.

Diese Pflichten sind auch bei einer Auslagerung zu berücksichtigen.

Mitwirkung von beaufsichtigten Anlegern

Von den beaufsichtigten Anlegern, wie z.B. Banken und Versicherungen, erwartet die BaFin eine entsprechende Mitwirkung bei der Dokumentation durch die KVG im Hinblick auf den Umfang der Einflussnahme.

Wie geht es weiter?

Noch haben die Marktteilnehmer bis zum 31. März 2025 Zeit, ihre Stellungnahme zu der Konsultation einzureichen. Gerne stehen wir für die Entgegennahme und Bearbeitung von Feedback zur Verfügung. Aufgrund der Stellungnahmen können sich einzelne Aussagen der BaFin im Merkblatt noch ändern.

Marktteilnehmer sind dennoch gut beraten, bereits jetzt die für sie möglicherweise problematischen Konstellationen eines Anlegereinflusses zu identifizieren. Künftig sollte auch verschärft auf eine entsprechende Dokumentationsebene geachtet werden, sowohl bei den eigenen Prozessen als auch bei den ausgelagerten Portfolioverwaltungs-Prozessen.

Download YPOG Briefing: BaFin-Update: Konsultation zur Einflussnahme von Anlegern in Investmentvermögen

 

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